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Das Urbarmachungsedikt von Friedrich dem Großen, König von Preußen 1740-1786

    Als Ostfriesland 1744 an Preußen fiel, war Friedrich der Große weitsichtig genug, die große Bedeutung der in Ostfriesland vorhandenen Hochmoorflächen zu erkennen:

 1. für die Gewinnung von Brenntorf,

 2. für die Ansiedlung von Menschen in diesen leeren Räumen.

    Als der Siebenjährige Krieg zu Ende gegangen war, widmete er seine ganze Tatkraft der Beseitigung der Schäden, die durch die vergangenen Kriege entstanden waren, der Hebung von Handel und Wandel und der Ansiedlung von Menschen in den leeren Räumen seines Landes. 

   Am 22. Juli 1765 erließ er für Ostfriesland das Urbarmachungsedikt. Durch dieses Edikt beseitigte er das Aufstreckungsrecht, das die Geestrandbauern an den ostfriesischen Mooren in Anspruch nahmen. Das Hochmoor erklärte er zum Staatseigentum. Den Geestrandbauern sollten für ihre Wirtschaften ausreichende Hochmoorstücke, angrenzend an ihr Land, belassen werden.

 Das Urbarmachungsedikt hat folgenden Wortlaut:

    Wir Friderich, von Gottes Gnaden König in Preußen, Markgraf zu Brandenburg, des heiligen Römischen Reichs Erz-Cämmerer und Churfürst, Souverainer und Oberster Herzog von Schlesien, Souverainer Prinz von Oranien, Neuchatel und Vallengin, wie auch der Grafschaft Glatz, in Geldern, zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg und Crossen Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden, Schwerin, Ratzeburg, Ostfriesland und Meurs, Graf zu Hohenzollern, Ruppin, der Mark, Ravensberg, Hohenstein, Tecklenburg, Schwerin, Lingen, Bühren und Leerdam, Herr zu Ravenstein, der Lande Rostock, Stargard, Lauenburg, Bütow, Arlay und Breda etc. etc.

 

               Thun kund und fügen hiermit zu wissen:

 

                             § 1.

 

   Ob Wir gleich Unsere Landesväterliche Intention und Vorsorge zum besseren Aufnehmen der Bevölkerung und des Ackerbaues schon mehrmalen, und noch letztlich in dem emanierten Edict vom 8. April 1764, zu erkennen gegeben, so haben sich dennoch in Unserm Fürstenthum Ostfriesland und dem Harlingerlande einige besondere Hindernisse geäußert, wodurch es geschehen, daß daselbst unsere heilsame Absicht bishero nicht hinlänglich erreichet werden können, sondern annoch so manche weitläufige Wüsteneien, Heidefelder und Moräste, welche gleichwohl in Ansehung ihres guten Bodens zur Besaamung, Bepflanzung mit Gehölze und Anlegung neuer Torfgräbereien sehr wohl geschickt sind, ohne Anbau erliegen geblieben.

 

                                  § 2.

 

   Eine der vornehmsten von diesen Hindernissen hat nemlich darin bestanden, daß die benachbarten Dorfschaften, welche auf die herum gelegenen wüsten Aecker und Heidefelder zu Zeiten ihr Vieh getrieben, um daselbst einige, wiewol geringe Futterung aufzusuchen, aus diesem ihnen bishero verstatteten, Unserem Fisco unschädlichen  Gebrauche, sich unbefugter Weise anmaßen wollen, sothane wüste Aecker und Heidefelder, wovon sie jedoch keine Schatzung entrichten, als ein Eigentum ihrer Heerde anzusehen, und unter ihre Dorfgrenzen zu rechnen, sodann auch, wenn ihnen das Torfgraben in denen Morasten zum nöthigen Gebrauch verstattet gewesen, sich aus diesem Grunde ein ganz unerfindliches so genanntes Aufstrecksrecht zuschreiben wollen, als wodurch selbige in beiden Fällen öfters auf meilenweite Wüsteneien, welche mit dem Kaufgelde ihrer Heerde in ganz keinem Verhältnis stehen, Anspruch zu machen sich unterfangen haben. Da nun aber ein solcher Unfug Unsern unwidersprechlichen Landesherrlichen Regalien zuwider läuft, und Wir fernerhin nicht gestatten können, daß der Anbau von so vielen wüsten Feldern, zum Nachteil des Publici, länger verabsäumet werde, so haben Wir hiemit gewisse ganz billige Principia regulativa festsetzen wollen, welche sowohl bei der Anweisung der wüsten Felder und Moraste an neue Colonisten, als auch bei Entscheidung aller daher entspringenden Streitigkeiten künftighin zur Richtschnur dienen sollen.

 

                               § 3.

 

   Es ist nemlich keineswegs Unser Wille, daß bei der vorhabenden Ausweisung der Wildnisse und Moraste irgend jemand an seinem wohlhergebrachten und erweislichen Eigenthum solle gekränket oder geschmälert werden. Es versteht sich auch von selbsten, daß die Besitzer der Herrlichkeiten, adeliger oder anderer Privatgüter, wenn in ihren kundbaren oder bewährlich zu machenden Grenzen wüste Felder und Torfmohrte belegen sind, davon das völlige Eigenthum behalten, und wir versehen Uns zu denenselben gnädigst, daß selbige auch ihres Orts auf die Urbarmachung bestmöglichst bedacht sein werden. In denen Fällen hingegen, wo dergleichen richtige und erweisliche Grenzen ermangeln, können Wir denen Eingesessenen in den Dörfern dergleichen grundlose Vorwendungen keineswegs einräumen, und es kann das bloße bisherige Herumtreiben mit dem Vieh in denen wüsten Heidefeldern, oder das willkürliche Plaggenhauen, oder auch die unter benachbarten Communen anmaßliche Bestimmung von Feldmarken und Dorfgrenzen, einen solchen Beweis des Eigenthums mit nichten ausliefern, noch auch contra fiscum eine manutenible Possession oder Praescription erwürken. Da es auch in hiesiger Provinz nicht ungewöhnlich ist, in denen bei Verkaufung der Heerde errichteten Kaufbriefen die Worte zu setzen: mit Rusch und Busch, Heiden und Weiden, Morasten und anderen Pertinentien, so kann eine dergleichen undeterminirte Clausul ohne speciale Bestimmung der Stücke, eben so wenig zum Beweise des Eigenthums in Ansehung dieser Wildnisse etwas verstrecken.

 

                                § 4.

 

   Nach diesem vorausgesetzten allgemeinen Principio, welches bei den folgenden Sätzen überall seine Anwendung findet, haben Wir annoch in Ansehung der besonderen Gattungen der bishero uncultivierten Felder folgendes specialiter hiermit declariren und festsetzen wollen:

 

                                  § 5.

 

   Da Wir bei Anordnung dieses Regulativi ganz besonders zum Augenmerk haben, daß die jetzo etablirten Dorfschaften conserviret bleiben, auch sogar Gelegenheit haben sollen, ihre Viehzucht und Ackerbau zu verbessern: So ordnen und wollen Wir, daß die sogenannten gemeinen Weiden, das ist, die grünen Anger und Niedrigungen um und nahe an den Dörfern, welche im Sommer Gras tragen, und zur Weide geschickt sind, denen Dorfschaften eigenthümlich und völlig sollen gelassen werden. Jedoch muß die Benennung von gemeinen Weiden nicht gemißbrauchet, noch auf wüste Aecker, Moraste, oder auch solche grüne Parcelen, welche von den Dörfern ganz abgelegen, und unter Heidefeldern vermischet sind, erstrecket werden.

 

                            § 6.

 

   Die um die Dorfschaften belegenen Heidefelder, das ist, diejenigen unbebaueten Felder, welche harten Sandgrund und keinen Torf haben, auch gemeiniglich mit Heidekraut bewachsen sind, wollen Wir zwar, so lange sich kein Annehmer zur Kultur vorfindet, denen Dorfschaften mit ihrem Vieh zu betreiben, imgleichen Mistplaggen darauf zu hauen, noch ferner verstatten, jedoch müssen selbige kein Eigenthum an solchem Grunde praetendieren, mithin die Ausweisung an neue Colonos auf keine Weise hindern.

 

                                § 7.

 

   Einem jeden Dorf soll von diesen obbeschriebenen Heidefeldern ein proportionirlicher und mäßiger District zu Anpflanzung eines gemeinen Gehölzes, zum Nutzen der Dorfschaft, und besonders zum Behuf der Unterhaltung der Brücken, Stege, Schul- und Kirchengebäude, eigenthümlich und unentgeltlich gelassen werden, wann die Eingesessenen des Dorfs solches verlangen, das ihnen anzuweisende Stück tüchtig, um den Viehfraß zu verhindern, bewallen und beschlöten, Eichen darin pflanzen, und wenn diese verdorren, oder nicht auf- oder angehen, immer neue jedes Jahr an deren Stelle setzen, und dergestalt den Anwachs des Holzes mit Ernst und Eifer befördern wollen. Da denn die Schüttemeister auf die Reparation der Wälle und Schlöte, wie auch auf die Anpflanzung der jungen Eichen, Achtung haben, und woferne sie hierin nachlässig befunden werden, von denen Beamten und Forstbediendten zu ihrer Pflicht angehalten werden, auch jeder Hauswirth, wie auch bei Verheiratungen das angehende Ehepaar, eine Anzahl wilder Bäume hieselbst zu pflanzen verbunden sein soll, wovon die Designation jährlich und wie alles nach dieser Vorschrift bei einer Localexamination befunden worden, von Beamten ein Bericht an die Kriegs- und Domainenkammer erstattet werden muß.

 

                              § 8.

 

   Da ferne auch ein Dorf mit Grunde anzuweisen vermögte, daß selbiges nicht grüne Anger zu der vorhin beschrieben gemeinen Weide genug hätte, so soll demselben zum benötigten Unterhalt des Viehs annoch ein bestimmter District des nahe gelegenen Heidefeldes gelassen werden. Wobei Unsere Absicht ist, die Eingesessenen dadurch aufzumuntern, ein solches ihnen zugeteiltes Stück Heidefeld nach und nach unter den Pflug zu bringen, und ihre Wirtschaft dadurch in solchen Stand zu setzen, daß sie der mühseligen Futterung ihres Viehs auf den dürren Heidefeldern forthin gänzlich entbehren können. Würde nun die Gemeinde dieses ihnen jedoch ein für allemal zugeteilte Stück Heidefeld, entweder in der Communion oder mit Verteilung an die im Dorfe belegene Heerde, binnen zehn Jahren a dato dieses Edicts, zu Bau- oder Weideland geschickt machen, so soll von ihnen dieserhalb kein Kanon gefordert werden. Neue Colonisten aber mögen sie auf diesem Platz nicht ansetzen, um davon für sich zu profitieren.

 

                                  § 9.

 

   Die wüsten Aecker, welche anitzo unbebauet liegen, von denen aber noch Spuren vorhanden, daß sie vor Jahren zur Cultur gedienet haben, können keineswegs so schlechthin als ein Eigenthum der benachbarten Dorfschaften angesehen werden, sondern es muß von diesen vorher erweislich gemacht werden können, daß solche verwilderte Aecker wirklich zu ihren Plätzen gehören, oder daß sie Lasten davon praestiren. Ohne solchen Beweis können die Eingesessenen der Ausweisung an Colonisten nicht widersprechen. Solange sich aber keine Annehmer zur Cultur vorfinden, bleibt es ihnen vergönnet, solche, wie vorhin bei den Heide-feldern verordnet ist, mit ihrem Vieh zu betreiben.

 

                            § 10.

 

   In Ansehung der Hochmöhrte, oder derjenigen Felder, wo unausgegrabener Torf vorhanden ist, hat es überhaupt bei demjenigen, was § 3 festgesetzt, sein Bewenden, und müssen daher die Besitzer von solchen Torfmöhrten, welche von allen Seiten bestimmte und erweisliche Grenzen haben, bei ihrem Eigenthum ungestört geschützet bleiben. Ist aber das Anteil des Besitzers nach seinen völligen Grenzen nicht, sondern etwa nur nach der Breite, nicht aber nach seiner Länge determiniret, so kann die Aufstreckung zum Nachteil Unserer Landesherrlichen Legalgerechtigkeit fernerhin nicht ohne Bestimmung bleiben, sondern Wir haben nach reiflicher Erwägung aller Umstände und mit gnädigster Rücksicht auf die Conservation der Bauernhöfe, hiemit festsetzen wollen, daß zu einem jedweden Heerde, der ein solches nicht völlig limitirtes Torfmoor hat, von seinem jetzigen Torfstich an, noch vier Moordiemate, zu 450 Quadratruten, à 15 Fuß gerechnet, sollen abgemessen, und zu dem Platz eigenthümlich gelassen, alda aber Grenzen gesetzt werden, und was von denen Morasten sodann übrig bleibet, Unserer Kammer zu Ansetzung neuer Torfgräbereien zustehen solle.

 

                            § 11.

 

   Das Leegmoor, oder der Untergrund eines ordentlich abgegrabenen oder ausgekuhlten Torfmoors verbleibet demjenigen, welcher das Moor im Eigenthum hat, oder nach der vorhin beschriebenen Maßgabe angewiesen erhalten soll. Diejenigen Strecken aber, welche vor vielen Jahren schon ausgegraben, und von denen Dorfschaften wüste gelassen worden, oder auch in Dobben und Kuhlen liegen, und mit Heide bewachsen sind, gehören, so wie vorhin bei den Heidefeldern verordnet, zur Ausweisung des Landesherrn an neue Colonisten.

 

                             § 12.

 

   Da auch bishero verschiedentlich in Ansehung der Cultur des Buchweizen Querelen geführet worden, so erhalten selbige durch die bevorstehenden Principia bereits ihre Erledigung. Es ist nämlich in demjenigen Districte, welcher nach obigem Regulativo denen Dorfschaften verbleiben, oder ihnen zugeteilt werden soll, denen Eingesessenen ohne Entrichtung eines Canonis der Buchweizenbau unbenommen, wohingegen, wenn selbiger in den Landesherrlichen Wildnissen vorgenommen werden wollte, darüber Unsere Einwilligung gehörigen Orts gesucht werden muß.

 

                              § 13.

 

   Gleichwie nun solchergestalt alle Ungewißheit und Widersprüche bei Ausweisung der Wüsteneien hiedurch gehoben werden: Also verhoffen Wir auch gnädigst, daß Unsere Untertanen in Ostfriesland und dem Harlingerlande zu ihrem eigenen und des Publici Nutzen auf Urbarmachung der wüsten Felder und Anpflanzung von Gehölze, wovon in anderen Unsern Provinzen schon so viele Versuche mit dem besten Succeß gemacht sind, mehreren Fleiß und Eifer, als bishero verwenden werden. Und haben Wir dieses Vorhaben zu erleichtern, den Canonem, welcher bei dergleichen Ausweisung an Unsere Kammer zu entrichten ist, hiemit auf das mäßigste determiniret, dergestalt, daß in denen vorhin § 6 beschriebenen Heidefeldern für ein Diemat nach Rheinländischem Maße, von 400 Quadratruten (jede a 12 Fuß gerechnet) zum jährlichen Canone nur 8 bis 12 Ggr., und wenn ein solcher Grund zum Holzpflanzen ausgetan wird, vor ein Diemat nur 6 Ggr., auch in beiden Fällen, und wenn zumalen eine größere Anzahl von Diematen auf einmal ausgetan wird, nach Befinden noch weniger soll gefordert werden. Bei neuen Vehnen oder Torfgräbereien hingegen wird der jährliche Canon nach Verschiedenheit der Lage gleichfalls auf das billigste accordiret werden.

 

                                  § 14.

 

   Ueber dieses wollen Wir denen Annehmern, nach der Beschaffenheit des zur Cultur übernommenen Landes, den stipulirten Canonem die ersten 3, 4 bis 6 Jahre gänzlich erlassen. Wir versprechen denenselben auch vor die ersten 12 Jahre eine völlige Exemtion und Freiheit von allen Realschatzungen, nicht minder, wenn sie sich von neuen mit einer Wohnung anbauen, eine 6-jährige Freiheit von dem Consumtionsgelde.

 

                            § 15.

 

   Nachdem Wir auch vernommen, daß an einigen Orten denen neue Colonisten in Ansehung der Parochialgerechtigkeiten und Teilnehmung an den Armenmitteln Schwierigkeiten gemacht werden, so wollen Wir solche ungegründete Widersprüche hiermit gänzlich abgestellt werden wissen, und declarieren hiemit, daß solche neue Colonisten bei derjenigen Kirche, wohin der Ort des Anbaus nach seiner Lage gehöret, unweigerlich als Parochiani gehalten, mithin auch bei vorkommenden Fällen an dem Genuß der Armenmittel teilhaben sollen. Wenn aber der Ort der Einpfarrung etwa zweifelhaft wäre, so hat Unser Consistorium auf ihr geziemendes Anmelden hierunter zu verfügen, und sie zu einer der benachbarten Kirchen mit allen denen Kirchenkindern zustehenden Berechtsamkeiten anzuweisen.

 

                                § 16.

 

   Wir befehlen demnach Unserer Ostfriesischen Regierung, auch Krieges- und Domainenkammer, diese Unsere Verordnung überall bekannt zu machen, auch sich nach derselben auf das genaueste zu achten, und auf die Erfüllung zu halten.

 

           Urkundlich unter Unserer höchsteigenhändigen Unterschrift,

           und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

           Gegeben zu Berlin den 22. Juli 1765.

 

                                                        Friderich.

 

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