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Das Pfarrhaus im Moor 8.
Freude, Jubel und Dankestränen Doch es
kam der Tag, an dem man sich versammelte, um an einem Sonntag die
Grundsteinlegung zu feiern. Alt und jung, von nah und fern waren sie alle
gekommen, die unsere Arbeit kannten. Festlich hatte die Jugend des Ortes den
Bauplatz geschmückt. Die deutschen Fahnen wallten im hellsten Sonnenglanz
herab, dankbar erinnernd an die große Gnadengabe unseres Kaisers und die
landestreue Gesinnung seiner protestantischen Untertanen hier verratend. Unter
Gebet, Gesang und Bibelwort ergriff ein jeder, der die Arbeit hatte fördern
helfen und hier anwesend war, den Hammer, um durch seine 3 Schläge seine
weitere Hilfe und Treue für diese begonnene Arbeit zu geloben. Ein inneres und
fühlbares Erzittern ging durch die Festgemeinde, als die eiserne Kassette mit
ihrer denkwürdigen, beschriebenen Pergamentrolle in den Grundstein gesetzt, mit
ihm versenkt wurde, um in der Mitte der Hauptgrundmauer vermauert zu werden.
(Auch unser Söhnchen durfte an der Hand des Kirchenvorstehers seine 3
Hammerschläge leisten). Das Dank- und Lobsingen am Schluß der Feier kam wohl
bei den meisten aus der Tiefe ihres Herzens und stieg, so dürfen wir hoffen,
auch empor zum Thron Gottes und fand vor dem Allmächtigen Gnade. Und vielleicht
hat es geschüttelt und gerüttelt auch an den Herzen jener, die nicht ihren
Willen bei der Wahl des Kirchenplatzes erfüllt bekommen hatten. Möchte
diese Art der Mahnung doch nicht vergeblich gewesen sein, denn nicht sie alle,
die früher mit allen Mitteln danach gestrebt hatten, die Kirche neben das
eigene Haus zu bekommen, durften die Einweihung dieser Kirche miterleben, viele
wurden schon vorher abgerufen. In den Tellern, die aufgestellt waren mit der
Bitte um klingende Unterstützung, fand sich ein Goldstück neben einzelnen
Pfennigen. So war der Anfang fertig zu der Stätte, die der Ehre Gottes und Verkündigung
der lauteren Wahrheit seines Wortes dienen sollte. Und Gott der Herr gab seinen
Segen, und sandte Hilfe, damit die Arbeit weiter und weiter kam. Der Bau
brachte unsägliche Mühen und Schwierigkeiten mit sich, die sich ihm oft
hindernd in den Weg stellten. Er hatte auch so manche äußerliche Abhaltungen für
den Pastor, die ihm die Ausübung seines Hauptberufes als Seelsorger oft recht
erschwerten. Doch das Ziel fest im Auge, wurden mutig alle Hindernisse überwunden,
im stillen Kämmerlein zuvor Trost und Kraft dazu erbeten von ihm, dem größten
Baumeister aller Welten. So sollte auch, als ein Jahr nach der Grundsteinlegung
der Kirche verstrichen war, ein gleichgewichtiger Tag, wenigstens für uns und
die Unsrigen, eintreten. Der inzwischen in Angriff genommene Pfarrhausbau, der
zwar anfänglich erst nach der Vollendung der Kirche ausgeführt werden sollte,
war rüstig weitergeschritten, ein Umstand, den wir dem speziellen Wohlwollen
einiger maßgebender Persönlichkeiten verdankten. In ihrer Fürsorge deuteten sie damals unter Hinweis auf
unser schon im fünften Jahre stehendes Söhnchen darauf hin, daß mehr als ein
Kind im engen Pfarrhaus nicht Raum hätte. War ich auch über die zarte Rücksichtnahme
auf uns sehr erfreut, so sollte doch nicht etwa nur das räumlich knappe,
provisorische Pfarrhaus, sondern auch das neue, geräumigere lange Jahre nur ein
Kind sehen, da erst nach fast 9 Jahren, nachdem die Kirche und Pfarrhausbau längst
vollendet und die Gemeinde zur Ruhe gekommen war, uns kurz vor unserem Weggang
noch ein Töchterchen geschenkt wurde. Doch
gleichviel. Dank der Einsicht und Anordnung der hohen Regierung wurde das neue,
schöne, große Pfarrhaus noch vor Vollendung der Kirche fertig und die getünchten
Wände so weit trocken, daß wir an einem Oktobertage einziehen durften,
sollten, konnten und wollten. Wer beschreibt unsere Freude, ein Haus mit hohen,
luftigen Räumen, mit 2 Wohn- und 2 Schlafstuben, einer oben gelegenen
Studierstube und einer großen Küche, alles mit schönen, guten Öfen, Fenstern
und Türen. Auf einem größeren Ziehkahn, der Pünte genannt wurde, wurde der
Umzug bewerkstelligt. Die alten Hausgeräte aus dem alten Hause nahmen sich so
viel besser aus in ihrer neuen Umgebung, und die neu dazugekommenen Sachen
erschienen uns wirklich fast zu schön. All die bewährten, treuen Freunde aus
der Gemeinde hatten selbst mitgeholfen, ein- und auszupacken. Als ich
mit der letzten vollen Pünte wegfuhr, vom kleinen, provisorischen Pfarrhaus,
das uns über 5 Jahre umschlossen gehalten, in dem wir soviel erlebt, erstrebt
und durchgemacht hatten, überfiel mich doch eine wehmütige Rührung. Die 4
kahlen, schlichtweißen Kalkwände sollten Tränen des Abschieds und der Wehmut
sehen. Dankestränen für alles, was uns in ihnen widerfahren war. Wahrlich, war
auch das Leben in diesen liebgewonnenen Räumen kein nach außen strahlendes und
glänzendes gewesen, so hatte es doch ein Herz belehrt, daß die höchsten
Ideale nicht in einem romantisch schönen Hause und Garten, und sei es noch so
idyllisch gelegen, zu finden seien, sondern daß das Ringen und Kämpfen, das
Streben und das ganze Leben des Einzelnen beweisen müsse, daß noch der Sinn für
das Höchste in ihm wohne, daß sein Herz überhaupt noch fähig sei, schlagen
zu können für das wirklich Schöne, Edle und Gute, für das Gute, was der allmächtige
und gütige Gott uns, die wir seine Ebenbilder sind, ins Herz gesenkt hat. Das
ganze Leben ein Kampf um das Ideal, ein beständiges Bitten und Beten um
Bewahrung vor der Sünde, der Selbstsucht, dem Gegenteil von dem Guten, was
unser Gott liebt. So gestärkt
und geläutert zog ich aus dem kleinen Hause aus mit der Pünte hin ins neue,
weite, wirkliche Pfarrhaus, Türen und Fenster waren mit grünen Kränzen
festlich geschmückt, und empfangen mit einem herzlichen Willkommens- und
Dankeswort von dem ältesten der Kirchenvorsteher, traten wir ein. Die vorher
ausgedachte Stellung aller Sachen mußte schnell allen, die die Möbel auf Rücken
und Händen aus der Pünte herbeitrugen, angegeben werden, und noch bevor es
dunkelte, prasselte im Kochofen ein Feuer, den geliebten Tee für alle Helfer
und Helferinnen zu kochen. Diesmal bereitet ich ihn selbst, nach der jahrelangen
Übung mit großer Sicherheit auf jene mir vor 5 Jahren noch so neue Art und
Weise. Doch ging es auf dem Kochofen für mich so viel schneller, gefahrloser
und bequemer, als drüben, wo ich es so oft über dem offenen Herdfeuer hatte
tun müssen. Kopf und Hände voller Arbeit, verging eine Woche nach der anderen.
Der fünfte Winter fand uns in gleichmäßig erwärmten Stuben dank der guten Öfen.
Das ganze Pfarrhaus war wohl im Stil der dortigen Kolonistenhäuser, aber gut
und massiv gebaut. Überall spürte man die Wohltat der staatlichen Aussicht,
die über den Bau geführt war. Dieselbe erstreckte sich jetzt mit doppeltem
Eifer auf den Kirchenbau, der allerdings nur langsam fortschreiten konnte. Der
nasse, kalte Winter war das Hindernis. |
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