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Das Pfarrhaus im Moor 9.
Neue Not und große Freude Mein Mann
aber kannte derartigen Bedenken in solchen Sachen nicht und arbeitete jetzt mit
doppeltem Eifer, um die nötige Unterstützung auch für den Schulbau zu
bekommen. Wenn die Väter der schulpflichtigen Kinder, die ja meist Schiffer und
darum oft lange Zeit von zu Hause abwesend waren, mit ihren Schiffen auch erst
spät abends nach Hause kamen, um schon am frühen Morgen des anderen Tages mit
dem fortgehenden Wasser, der Ebbe, wieder aufzubrechen, so wußten sie, daß sie
auch noch mitten in der Nacht getrost zu uns ins Haus kommen durften, um mit
ihrem Pastor über neue Mittel und Wege zur Erreichung ihres Zieles zu beraten.
An den ersten solcher nächtlichen Besuche denke ich noch heute mit demselben
Schrecken, den ich damals bekam, als mich das laute Getrampel der hohen
Wasserstiefel jener eifrigen Schulmänner aus dem ersten, tiefen Schlaf
aufweckte, und als dann hinter der nur dünnen Gardine, die Schlaf und
Studierraum doch trennte im provisorischen Pfarrhaus, jene kräftige, energische
Rede über die Notwendigkeit der neuen Schule geführt wurde. (erst 1910 gebaut)
Wohl oder übel mußte ich mich ganz still verhalten, doch dachte ich dabei ganz
leise an meine früher gemachten Vorstellungen von einem Land-pfarridyll! So
etwas hatte ich damals freilich nicht bedacht! Nun, alle Bitten und
Vorstellungen erwirkten denn auch, daß ein älteres Schifferhaus zu einer
provisorischen, zweiten Schule eingerichtet und ein neu einzustellender Lehrer
gesandt wurde [Grot Köken von Altschiffer Lammert Thoben, 2. Südwieke, heute
Kirchstraße 178; später beim Kaufmann Klaver, 1. Südwieke 138]. So war
inzwischen Pfarrhaus- und Schulnot beseitigt, und auch die
Friedhofsangelegenheit fand nach langem Kopfzerbrechen eine glückliche Lösung.
Und als im Frühjahr und Sommer mit neuer Tatkraft der Kirchenbau ein großes Stück
gefördert war, mußte ernstlich an die Beschaffung der inneren Einrichtung der
Kirche gedacht werden, denn zu Bänken, Altar, Kanzel, Orgel und Glokken fehlten
noch gänzlich die Mittel. Doch auch dem sollte abgeholfen werden. Durch zwar
solides, aber auch sparsames Bauen war ein Überschuß vom Baufonds erzielt, der
nach langen Verhandlungen und auf viele Bitten hin mit allerhöchster Erlaubnis
nun zur inneren Einrichtung verwandt werden durfte. So erstanden Bänke, Orgel
und Kanzel. Und wie
ein Freudenfeuer durcheilte die Gemeinde die Kunde, die mein Mann telegraphisch
sandte aus der Stadt, wo die Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Vereins in diesem
Jahr stattfand, daß auf inständiges Bitten hin unserer Gemeinde die Hauptgabe
der Feststadt, ein schöner, wertvoller Altar, und aus mildtätiger Privathand
ein wundervolles, dazu passendes Antepen-dium geschenkt sei. Nach
wiederum einem Jahre sollten wir es durch Gottes Gnade doch erleben, daß
man sich rüstete, die Einweihung unserer Kirche zu begehen. Zu
Wintersanfang war es gewesen, als wir mit warmen Herzen einzogen in die neue
Heimat. Zu Wintersanfang verließen wir mit wehmütigen Gefühlen das
provisorische Pfarrhaus, um in das neue freudig und beglückt einzuziehen, und
Winters Anfang sollte es auch werden, als die kleine Betglocke der Schule zum
letzten Male gerufen hatte, unter ihr im Schulraum noch einmal in den einfachen
4 Wänden Gottes Wort verkündigen zu hören, um uns am Sonntag darauf in dem
weiten, hohen, würdigen Gotteshaus einzufinden, das sie alle in der Gemeinde
fassen konnte, die da Hunger und Durst hatten nach dem Evangelium, ohne des betrübenden
Gedankens uns dabei erwehren zu müssen, daß ihrer so viele draußen bleiben mußten
wegen Mangels an Raum, wie im Schulhaus. |
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