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Das Pfarrhaus im Moor 4.
Die ersten Sorgen Es hatte
der evangelischen Bevölkerung des Ortes viel Kopfzerbrechen vorher verursacht,
wie und wo einen Pastor unterbringen, bis man durch den plötzlichen Tod eines
Schiffers [der Name steht nicht im Kirchenbuch] im Untenende des Fehns mietweise
ein provisorischen Pfarrhaus haben konnte [heute: Untenende 42]. So war vorerst
ein provisorisches Pfarrhaus dadurch gefunden. Es waren zwei Räume darin, die
oben erwähnte Wohnküche und eine kleinere Kammer daneben. Der Eingangstür
gegenüber befand sich noch ein sehr kleiner Raum, der eigentlich zum Kochen des
Viehfutters, gerade groß genug für die Schifferverhältnisse, gewesen war. Zwei Räume,
das war für die Begriffe unserer guten Kolonisten schon sehr viel, denn sie
hatten ja meist nur einen einzigen Raum, "de Wohnköken", worin
zugleich gewohnt, gekocht und geschlafen wurde. Wäre auch für uns nur ein Raum
vorhanden gewesen, so hätte es keiner weiteren Überlegung bedurft, wie es
machen, es wäre nur so möglich gewesen zu leben, wie unsere Nachbarn auch.
Doch zwei Stuben zweckmäßig zu verteilen, war schwerer. Man riet mir dringend,
die zwei festgezimmerten hohen Holzschränke, Butzen genannt, die rechts und
links von der Wohnküchentür lagen, und den anderen Leuten als Schlafstätten
dienten, auch als Bettstellen zu benutzen, und somit Wohn-und Schlafstube in
einem Raume zu vereinigen. Die
andere noch bedeutend kleinere Stube könne dann dem Herrn Pastor als
Studierstube dienen, denn eine Studierstube müsse er haben, schon der großen
und teuren Bücher wegen, die sie hätten anschaffen müssen. Hatte doch der
Brief-träger dieselben weit herum um den Kanal in das provisorische Pfarrhaus
tragen müssen, da er es damit doch nicht hatte machen können, wie so oft mit
den Briefen, die er an einen Stock band, um sie so den sehnsüchtig wartenden
Schifferfrauen auf deren Wunsch über den Kanal zu werfen. Und das wollten sie
man gleich sagen, viele Leute würden auch immerzu kommen, denn nicht bloß eine
Kirche und ein Pfarrhaus, sondern auch eine neue Schule und einen neuen Friedhof
möchten sie haben, und da müsse doch viel besprochen, beraten, verhandelt und
überlegt werden. Also die
Notwendigkeit, eine Studierstube einzurichten, war da, aber doch konnten wir uns
nicht zum Schlafen in den lichtleeren, dumpfen Butzenräumen entschließen. Da
war guter Rat teuer, und ich begriff jetzt, wie richtig der Vorschlag meines
Mannes gewesen war, von der mir zugedachten Aussteuer erst nur einen kleinen
Teil mitzunehmen, denn wohin schon mit den uns absolut notwendig erscheinenden
Dingen? So wurde denn eine Butze zum Geschirr-und Speiseschrank eingerichtet von
mir, alle nötigen anderen Sachen, auch der Kirchenschrank, in die Wohnstube
gesetzt. Der
andere Raum aber wurde durch eine große Gardine in zwei Teile geteilt, der größere
Teil mit dem Studiertisch usw. versehen und hinter die Gardine die Bettstellen
gestellt, die aber auch nur gerade Platz hatten. Doch die andere Butze mußte
tatsächlich als Schlafraum dienen, da der zwölfjährige Bruder meines Mannes
mit uns einzog ins Pfarrhaus im Moor, um von uns erzogen und unterrichtet zu
werden. Und wo ihn sonst unterbringen? Ein Schafstall war wohl noch da, doch
stellte sich später die Notwendigkeit heraus, daß auch wir ein ostfriesisches
Milchschaf halten mußten, um Milch und Wolle zu haben. Die letztere tut gute
Dienste gegen viele hier auftretende Krankheiten, vor allen Dingen gegen
Rheumatismus, und wurde an Winterabenden von mir selbst, nachdem ich diese Kunst
mit großem Stolz erlernt hatte, auf dem Spinnrad gesponnen. Doch wenn
auch solch ein Schaf nicht notwendig gewesen wäre, den Schafstall als Schlafstätte
hätten wir doch wohl nicht gut herrichten können. Schon schlimm genug, wenn
wir oft bei abendlichen Besuchen in der Wohnstube ängstlich die Klappen der
Schlafbutze des zwölfjährigen Jungen schließen mußten, damit er nicht
gesehen und gestört wurde, und wenn wir abends plaudernd über das Erlebte, am
offenen Herdfeuer saßen, er nicht plötzlich aus dem Hintergrunde seine
treffenden oder nicht treffenden Bemerkungen machen konnte. Doch hat mir der große
Junge, mit dem ich meinen jungen Haushalt gleich anfing, auch viel Spaß
gemacht, wenn er mir an den langen Winterabenden die mir sehr schwer werdende
plattdeutsche Sprache beizubringen und zu erklären bemüht war, oder anfangs
den Dolmetscher spielte. So hatten
wir denn tatsächlich die schwere Aufgabe, die in dem Einrichten der zwei Stuben
bestand, gelöst, und nicht wenig stolz darauf empfingen wir alle Gäste, ob
einfach oder hochgestellt, ob sie einzeln oder viele zusammen kamen, jeder mußte
Platz nehmen am offenen Herdfeuer, in dessen Nähe Tisch und Stühle standen.
Meine Freude als Hausfrau war recht groß, wenn ich dann hörte, daß ein jeder
sich dort behaglich gefühlt hatte. Es wurden neben manchem ernsten,
konferierenden Wort auch manch liebes, freundliches gesprochen, ob der von uns
geschaffenen, einfachen Gemütlichkeit im sonst recht alten, zugigen, engen,
feuchten, provisorischen Pfarrhaus im Moor. Nun, so kann ich gestehen, es
dauerte wirklich nicht lange, bis wir uns heimisch fühlten in den uns
zugewiesenen Räumen. Noch
heute bin ich allen dankbar, die mir mit Liebe und Trostesworten entgegen kamen,
gleichviel, ob ich sie hörte aus dem Munde unserer lieben, treuen
Gemeindeglieder, die oft mit ihren großen, teilnahmsvollen Herzen mir weiter
nichts sagen konnten, als: "Se sölen't ok bald bäter hemm", oder ob
ich sie vernahm aus dem freundlichen nachbarschaftlichen Verkehr, der
liebgewonnenen Familien der Amtsbrüder meines Mannes, und sonstigen Freundendes
Nachbarkreises, oder ob sie mir kund wurden durch das Verständnis und durch den
Mund hochgestellter Herren, die behördlicherseits öfter mit meinem Mann bei
uns zu tun hatten. Besonders
dankbar gedenke ich des Mannes, der mit so freundlicher Teilnahme sagte:
"Es ist dem Manne gut, daß er lerne, sein Joch in der Jugend zu
lernen." |
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