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Das Pfarrhaus im Moor 3.
Der erste Schritt ins neue Heim Anderen
Tages sollten wir erfahren, daß durch diese festliche Beleuchtung der
Nachbarort mit seinem übereifrigen Feuerwehrhauptmann stark in Aufregung
versetzt worden war. In der festen Überzeugung, einen großen Brand entdeckt zu
haben, hatte er Alarm geschlagen und stand mit seiner hilfsbereiten Garde zum
Aufbruch nach der Brandstätte fertig, als ihm die Nachricht wurde, es sei nur
zum Empfang einer Pfarrfrau illuminiert. Nach 10 Minuten hielten wir wieder vor
einem Hause. Diesmal vor dem unsrigen. Die Fenster waren hell erleuchtet und die
Türe bekränzt. Gerührt von diesem festlichen Empfang, wollte ich den Wagen
verlassen, als ein lieblicher Gesang der Schulkinder vorm Hause uns bannte.
"Gott grüße dich", erklang es aus wohl 80 Kehlchen, worauf der
Lehrer (Ludwig B. Harms) uns im Namen der ganzen Gemeinde bewillkommnete. Um von
den vielen Umstehenden gehört zu werden, mußte mein Mann sich auf einen Stuhl
stellen, um unsere Dankesworte allen laut zuzurufen. Im Hause selbst erwarteten
uns die jungen Mädchen des Ortes. Eines derselben trat auf uns zu und überreichte
mit einem sinnigen Gedicht allerlei nützliche Gaben der Hausfrau zum Gebrauch.
Wirklich ergriffen ob solcher Liebe, drückte ich jedem die Hand und freute mich
wirklich herzlich über jedes freundliche Willkommenswort. Doch
einen Schrecken sollte ich beim Eintritt in die Wohnstube bekommen. Der Tür
gegenüber, zwischen 2 Fenstern, brannte auf eiserner Platte ein mächtiges
Torffeuer. Hell lodernd schlugen die Flammen empor, und ich fürchtete, daß im
nächsten Augenblick das Feuer die Stubendecke ergreifen würde. Jedenfalls, so
dachte ich, hätte man Unglück mit dem Ofen gehabt, daß derselbe
zusammengefallen und nun notdürftig, gewiß im letzten Augenblick wieder alles
soweit geordnet sei, daß man durch ein offenes Feuer das Wohnzimmer erwärmen
konnte. Darum nahm ich auch im ersten freien Moment meinen Gatten zur Seite und
frug ängstlich nach dem Zusammenhang dieser mir so gefährlich vorkommenden
Erscheinung. Und was ich jetzt hörte, begriff ich wirklich nicht sogleich, o
nein, es gehörte lange Zeit, eine wirkliche Praxis und Übung dazu, diese Erklärung
vollständig zu verstehen. Mein Mann sagte völlig ernsthaft, und brauchte ich
an einen Spaß seinerseits in diesem Punkt nicht zu denken: "Das ist kein
zusammengefallener Ofen, das ist ein hier allgemein gebräuchliches, offenes
Herdfeuer mit einem herabhängenden eisernen Rauchfang, in welchem eine auf-und
niedergehende Hängekette den Wasserkessel hält, worin über dem rauchenden
Torffeuer das hier viel gebrauchte Teewasser gekocht wird. Und du", lautete
sein Schlußwort, "du sollst und mußt künftighin über diesem offenen
Feuer uns täglich unsere Mahlzeit bereiten". Nun, ich
sagte schon vorhin, ich begriff den vollen Inhalt dieser Botschaft tatsächlich
nicht sogleich, doch der allernächste Vorgang sollte mir darüber noch
nachzudenken Gelegenheit geben. Man hatte um den Tisch herum Platz genommen, und
mit behender Flinkigkeit bereiteten die freundlichen Nachbarinnen den Tee für
die große Runde. Sie taten dies, indem sie in ein nur sehr kleines Teekännchen
sehr viel schwarze Teeblätter taten und damit zum offenen Herdfeuer traten.
Jetzt sah ich den durch den Rauch des Feuers geschwärzten Wasserkessel hängen.
Mit großer Sicherheit, die von Gewohnheit zeugte, griffen die Frauen meiner
Ansicht nach fast in das Feuer, und nahmen den Kessel vom Haken der Kette,
gossen das kochende Wasser über die Teeblätter im Kännchen und stellten
dasselbe zum Ziehen des Tees auf die eiserne Platte, schenkten dann die
Teetassen, die vor den Gästen auf dem Tische standen, zur Hälfte mit Tee ein,
nachdem sie zuvor noch in jede Tasse ein großes Stück weißen Kandiszucker und
einen Teelöffel voll Sahne getan hatten. Dann füllten sie vorm Feuer die Kanne
wiederum aufs neue, und machten abermals die Runde, um jetzt die Täßchen ganz
voll zu schenken. Nachdem die hausmütterlichen Nachbarfrauen abermals vor dem
Feuer die Kanne gefüllt und auf die Platte gesetzt hatten, kamen sie selbst an
den Tisch heran, nahmen die für sie bestimmten Tassen zur Hand und forderten
damit auf, allgemein anzunehmen, was dann auch geschah. Ein jeder
trank, oder besser schlürfte den Tee aus, ohne die Tasse dazwischen wieder
hinzusetzen, und ohne den harten Zucker mit einem Löffel zu berühren. Sodann
wurden die Tassen stillschweigend wieder auf den Tisch gestellt, und die
freundlichen Wirtinnen schenkten, genau wieder wie zuvor, die zweite Tasse ein,
nur mit dem Unterschied, daß diesmal nur Sahne, nicht aber auch wieder Zucker
in die Tasse getan wurde, da das erste Stück Zucker zu zwei, wohl auch zu drei
oder vier Tassen Tee reichen mußte. Nachdem auch die zweite Tasse auf genau
dieselbe Weise geleert war, wurde die Obertasse umgestülpt auf die Untertasse
gestellt, ein Zeichen, daß man dankte für mehr. Alle verstanden dies Zeichen,
denn es gehörte zu ihren Gewohnheiten. Nötigungen noch ein Täßchen
anzunehmen, waren damit völlig überflüssig gemacht, die Wirtin war der Bitte,
der Gast des Dankes überhoben, und, wie ja auch in manch anderer Gesellschaft,
wenn der erste Gast dankt beim wiederholten Anbieten der Gerichte, auch die
folgenden Gäste sich dadurch veranlaßt fühlen, gleichfalls zu danken, so war
es auch hier Brauch, es wurden alle Obertassen umgestülpt, nachdem der erste
Gast dies getan. Man sparte sich jedes überflüssige Reden, charakteristisch für
die bekannte große Wortkargheit unserer Norddeutschen. Auf mich
machten all die fremden Sitten großen Eindruck, und ich ging nicht fehl in der
sofortigen Annahme, daß man mir hatte hiermit zugleich auch zeigen und zu
verstehen geben wollen, wie auch ich mich nun künftighin ihnen gegenüber bei
ihren Besuchen zu verhalten hätte. Nun, ich hatte aufgepaßt, und war bemüht,
gleich von Anfang an, diesen Gewohnheiten gerecht zu werden, wohl bewußt, daß
ich die Fremde war, wie jene dort Einheimischen so gern und immer mit Betonung
alle nicht aus ihren Grenzen Stammenden zu nennen pflegten, die sich wohl oder
übel nach den dort herrschenden Sitten und Gebräuchen richten mußte. Ich tat
dies auch sehr gern in der festen Überzeugung, daß ja hier meine zweite Heimat
sein sollte, und in der zuversichtlichen Hoffnung, allen dadurch doch in Zukunft
nicht mehr fremd gegenüber, sondern recht nahe zu stehen. Als sich die Spitzen
des Ortes alle entfernt hatten, mußte ich aber nun vor allem unser Haus, mein
Heim, das Pfarrhaus in Augenschein nehmen und sehen, ob es mit der gemachten
Schilderung stimmte. |
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