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Maße und Gewichte in alter Zeit

von Christof Stöver, Norden-Bargebur

in: Ostfreesland-Kalender 1986, S. 135ff

Die Vielzahl der Packungsgrößen in unserer Zeit ist oft Anlaß zu ärgernissen. Dabei ist es im Grunde doch einfach: das Grundmaß ist doch das Meter, das Liter oder das Kilogramm.

Schlimmer sah es auf diesem Gebiet noch vor etwa 125 Jahren aus, als viel mehr Begriffe Gültigkeit hatten und obendrein bei gleichlautenden Worten ein sehr unterschiedlicher Wert gemeint war. Zur Zeit der deutschen Kleinstaaterei nahm das nicht wunder. Auch im kleinen Ostfriesland gab es von Bezirk zu Bezirk (Harlinger-, Brookmer- oder Norderland) unterschiedliche Bezeichnungen, die zudem noch von der Bodenbeschaffenheit (Klei, Sand, Moor) abhängig waren.

Der Norddeutsche Bund (1866 von 17 Staaten unter Führung Preußens gegründet) erließ am 17.8.1868 das "Gesetz zur Einführung einer neuen Maß- und Gewichtsordnung.. ". Nach diesem Gesetz konnte vom 1.1.1871 und sollte vom 1.1.1872 verfahren werden. Mit dem Gesetz wurde das "metrische" bzw. "Dezimalsystem" eingeführt, nachdem es bereits vorher in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland eingeführt war, "weil es sich leichter damit rechnen läßt".

Trotz der Vereinheitlichung blieben jedoch eine Vielzahl von Begriffen im Gebrauch, andere (sicherlich landschaftlich bedingt) wurden eingeführt und sozusagen obrigkeitlich abgesegnet. Die meisten sind inzwischen vergessen, andere haben sich zumindest in Flurnamen erhalten wie z.B. "Vierzig Diemat", "Hundert Grasen" u. a.

Bis zu dieser Neuordnung wurde in Ostfriesland nach hannoverschem wie auch nach preußischem Maß (rheinl.) gemessen. Geltende Begriffe und Größen bei den Längenmaßen waren

hannoversch                                                    preußisch/rheinl.

1 Meile = 1587,2 Ruthen (°) = 7419,2 m                    7532 m

1 Ruthe = 16 Fuß (') = 4,6735 m                                12 Fuß (') = 3,77 m

1 Fuß = 12 Zoll ('') = 29,21 cm                                   31,4 cm

1 Zoll = 12 Linien (''') = 2,434 cm                   2,62 cm

1 Linie (''') = 2,03 mm                                     2,18 mm

Im Deichbau hatte die "Deichruthe" 20 Fuß oder 7 Schritt à 3 Fuß, sowie die Kette (18-19 m) à 3 Ruthen, à 20 Fuß à 12 Daumen (Duum) bzw. Zoll. In der Schiffahrt war noch der Ausdruck "Faden" (Fahm) = 6 Fuß gebräuchlich.

Für das Garn der Spinnerin galt als Längenmaß das "Stück" = 10 "Bind" zuje 2 "Knipp" à 60 Haspelfäden (in anderen Gegenden 50 Haspelfäden). Die Haspel hatte eine Holzfeder, die nach 60 (50) Umdrehungen das "Knipp"-Geräusch gab und man somit eine gleiche Länge Garn erhielt. Noch bis zum 2. Weltkrieg wurde in Ostfriesland Wolle nach "Bind" gehandelt.

Die neue Maßeinheit war das "Meter" und davon ableitend "Kilometer", "Zentimeter" usw. Als Grundlage diente der Erdumfang: der 40millionste Teil eines Erdmeridians war gleich ein Meter (und gleichgesetzt mit 443 296 Pariser Linien). Zur "leichteren" Umrechnung wurde weiter erklärt, daß ein hann. Fuß 129,484 Pariser Linien lang sei. Aber alte Bezeichnungen wurden nicht verboten. So hieß das Meter auch "Stab", das Zentimeter "Neuzoll" und das Millimeter "Strich". 10 Meter wurden zum "Dekameter" bzw. "Kette", 100 m zum "Hektameter" und 10 000 m zum Myriameter. übernommen wurde nach dem Gesetz die "Meile" zu 7 500 m.

Das "Metermaß" wurde noch in jüngster Zeit oft als "Zollstock", "Tollstock" oder auch "Duumstock" bezeichnet, was auf die nahe Beziehung zur Daumenbreite zeigt. In der "Einführung in die neue Maß- und Gewichtsordnung des Norddeutschen Bundes von 1870" von E. H. Busemann sind folgende "natürliche Maße bei Erwachsenen" als Hilfsmittel angeführt: 1 cm = 1 kleine Fingerbreite, 2 cm = eine Daumenbreite, 8 cm = eine Handbreite ohne Daumen, 10 cm = eine Handbreite mit Daumen, 20 cm = eine Spannbreite, 1 Meter = 5 Spannbreiten, 60 cm = 1 Armlänge, 1 Meter = 11/3 gewöhnliche Schritte...

Aus den Längenmaßen ergeben sich die Flächenmaße. Von der Quadratruthe, dem Quadratfuß usw. die entsprechend den Längenmaßen unterschiedlich groß waren, wurde das Quadratmeter und die sich daraus ergebenden Größen. Neben den neuen Begriffen standen (wie bei den Längenmaßen) der Quadratstab für den qm, Quadratneuzoll für 1 qcm sowie der Quadratstrich für 1 qmm. Die Quadratkette hatte die gleiche Größe wie 1 Ar. Bezeichnungen wie Diemath (Diemt), Jidde, Gras, Tagewerk (Dagwark) und Stück blieben teilweise bis in unsere Zeit erhalten.

Das "Diemath" - allgemein 56,7383 Ar groß, das Moordiemath hatte 0,9974 ha - erhielt seinen sprachlichen Ursprung aus dem Wort Demath bzw. Dagmet, d.h. es war die Fläche, die ein guter Arbeiter an einem Tag mähen konnte. Beim "Tagewerk" war es im Torfstich die Menge, die an einem Tag gegraben wurde bzw. auch zwei gut gefüllte Fuder. Beim Buchweizenanbau war ein Tagewerk ca. 2¼ ha groß, während es allgemein nur 2,269 Ar hatte.

Die "Jidde" ist ein altes Landmaß und kam allgemein auf 46,6461 Ar. Sprachlich kann das Wort mit Teil eines Ganzen erklärt werden. Das "Gras" wurde allgemein auf 42,554 Ar gesetzt, war aber (da es eine Kuhweide groß war) sehr abhängig von der Ertragsfähigkeit des Bodens. Als "Stück" wurde ein kleines Stück Ackerland in der Größe von 255 qm bezeichnet. Der "Morgen" war in Ostfriesland als Flächenmaß nicht gebräuchlich.

Auch die Körpermaße wurden den neuen Längenmaßen entsprechend geändert. Der Vergleich der alten mit den neuen Körpermaßen ergibt folgendes Bild:

preußisch/rheinl.                                                          hann.

1 Kubikruthe (kb°) - 4096 Kub.Fuß (kb') =               

102,0777 kbm                                                 1728 kb' = 53,423 kbm

1 kb' = 1728 Kubikzoll (kb'') = 0,0249 kbm 1728 kb'' = 0,0309 kbm

1 kb'' = 1728 Kubiklinie (kb''') = 14,422 kbm 1728 kb'''= 17,8901 kbm

1 kb''' = 8,3461 kbmm =         10,3571 kbmm

1 Schachtruthe = 256 kb' = 6,3799 kbm

1 Kasten (Steine) = 16 kb' = 0,3987 kbm

1 Klafter = 144 kb' = 3,5887 kbm bzw. 216 kb' = 5,383 kbm

1 Balkenruthe = 2/5 kb

1 Tonne (Getreide) = 8 kb' = 0,1992 kb

Bei Erdarbeiten und hier besonders beim Deichbau galt noch das "Pütt" als Körpermaß. Es hatte 1600 kb' (20 x 20 x 4 rhl.'). Bei diesen Maßen gab es kein Rückerinnern mit alten Maßen, sondern das Kubikmeter mit allen seinen Ableitungen war allein maßgebend. Die Hohl- bzw. Flüssigkeitsmaße dienten nicht nur zum Messen von Flüssigkeiten. Auch Getreide, Obst usw. wurde noch bis zum 2. Weltkrieg nach Litern gemessen. Ja, im freien Straßenverkauf gibt es z.B. auch jetzt noch Granat literweise.

Im Norder Heimatmuseum befindet sich ein Fünf-Liter-Maß, das auf dem Norder Wochenmarkt zum Messen von Obst diente, jedoch im Herbst 1939 beschlagnahmt wurde, weil es ein falsches Maß war.

Die durch Gesetz abgelösten Flüssigkeitsmaße hatten nachstehende Größen:

            1 Last à 15 Tonnen      = 29,9052 Hektoliter

            1 Tonne à 2 Sack        = 1,9937 Hektoliter

            1 Sack à 2 Vierdup      = 0,9968 Hektoliter

            1 Vierdup à 2 Scheffel = 49,8420 Liter

            1 Scheffel à 2 Vaatje    = 24,9210 Liter

            1 Vaatje à 9 Krug        = 12,4605 Liter

            1 Krug à 4 Orth           = 1,3845 Liter

            1 Orth à 4 Maatje        = 0,3461 Liter

            1 Maatje                      = 0,0865 Liter

Das Hektoliter wurde auch Faß genannt, 2 Neuscheffel ergaben 100 Liter oder auch Kannen, und jedes Liter bestand aus 2 Schoppen.

In Ostfriesland wurde noch bis zum 2. Weltkrieg z.B. Senf in Gebinden zu ¼ Anker gehandelt. 1 Anker = 38,94 Liter. - Auch der verbotene "Maatjeschenk" im Lebensmitteleinzelhandel ist der Zeit anheim gefallen. Häuptling Wiard Beninga zu Loppersum nennt in einem Register die Maßeinheit "de veerde hoop" (der vierte Haufen), aus dem sicherlich das Vierdup (plattdeutsch. Veerp) entstanden ist.

Bei den Gewichtseinheiten war die Umstellung etwas einfacher, da das bisherige Grundmaß, das Pfund, als ½ Kilogramm in gewisser Weise bestehen blieb. Nach altem Recht waren 1 Last = 40 Zentner je 100 Pfund je 10 Loth je 10 Quint je 10 Halbgramm. Umgerechnet ergab 1 Last = 2 Tonnen = 40 Zentner, 1 Zentner = 50~ Kilogramm = 100 Pfund. 1 Pfund = 50 Neuloth. Das hannoversche Loth war ½ Neuloth = 5 g = 1 Quint. - Dazu gab es noch 1 Halbgramm = ½ g

Eine Vielzahl von Begriffen, landschaftlich im Wert unterschiedlich und anders bezeichnet, dazu noch die Vielzahl der Münzwerte - wie schwer haben es die Kaufleute gehabt, fing doch gleich hinter Papenburg auch schon das deutsche "Ausland" an! Sicherlich ist die neue Ordnung begrüßt worden. Viele Begriffe sind verschwunden, andere blieben in Sprichworten erhalten wie z. B. "All Dingen mit Maaten, säh de Schnieder, do verhoh he sien Ollschge mit ´n Ellstock".

Begriffe wie "¼ Brot" gehören der vergangenen Zeit an. Was bedeutete es? Nicht etwa ¼ Pfund oder Kilogramm, sondern schlicht ¼ vom 12pfündigen Schwarzbrot.

Lang erhalten haben sich Flächenmaße in der Landwirtschaft. Noch Ende der 50er Jahre standen Anzeigen mit Angaben wie "Meetje", "Diemat" und "Grasen" in der Zeitung. Jedoch die rasante Entwicklung zum Großflächenanbau, die Melioration und Drainage ermöglichten, hat auch hiermit aufgeräumt.

 

Quellen: Heim und Herd, Einführung in die neue Gewichts- und Maßordnung v. E. H. Busemann; Ostfreesland-Kalender; Ostfriesland im Schutz des Deiches; Doornkaat, Wörterbuch der Ostfriesischen Sprache.

 

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