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Steenfelde

  1. Die Gründung des Ortes
  2. Bau und Verfall der ersten Kirche
  3. Ein päpstlicher Ablaß für Steenfelde
  4. Der Ort im Spätmittelalter
  5. Das Zeitalter der Reformation
  6. Die Ausstattung der Kirche
  7. Steenfelde in Überlieferung und Dichtung
  8. Die Steenfelder Mühle
  9. Kaufleute und Handwerker

Der Jesuiten-Pater Franz J. Klee schreibt über die einzig in Ostfriesland erhaltene Papstbulle für Steenfelde folgendes in seinem Buch: „Geschichtliches und Kirchengeschichtliches aus Ostfriesland, Leer 1989, S. 73ff:

  Wer heute die Bundesstraße 70 von Papenburg in Richtung Leer be­fährt, entdeckt nach einigen Kilometern ein Hinweisschild mit dem Ortsnamen Steenfelde. Während sich der Ort links der Straße erstreckt, liegt die Kirche auf einer kleinen Anhöhe, einige hundert Meter vom Ortskern entfernt, auf der rechten Seite der Bundesstraße. Nichts scheint darauf hinzudeuten, dass dieser kleine Ort im Overledingerland und seine von einem Lindenkranz umgebene Kirche auf eine lange und interessante Geschichte zurückblicken kann.

Die Gründung des Ortes

   Der Name Steenfelde, früher auch „Steenwolde" geschrieben, soll auf ein holzreiches Gelände mit vielen Steinen hindeuten. Auch Ubbo Emmius bezeichnet in seiner um 1600 verfaßten Beschreibung von Ostfriesland Steenfelde als einen Ort mit „einer Kirche auf un­fruchtbarem und waldreichem Boden". Es wundert also nicht, daß dieser Ort wie etliche Gebiete des Overledingerlandes erst im 12. / 13. Jahrhundert systematisch besiedelt und kolonisiert wurde. Die ursprüngliche Besiedelung erfolgte wohl von Vollen aus, wozu Steenfelde auch in kirchlicher Hinsicht zunächst gehörte. Völlen wiederum stand ursprünglich in kirchlicher Abhängigkeit von Aschendorf im Emsland. So erklärt sich die merkwürdige Tatsache, dass die Kirchen der drei Overledinger Gemeinden Völlen, Mitling und Steenfelde (sowie die drei Reiderländer Kirchspiele Vellage, Diele und Stapelmoor) im Mittelalter dem Bistum Osnabrück unterstanden, während alle umliegenden Kirchspiele zum Bistum Münster gehörten.

Zu Steenfelde gehören die Ortsteile Steenfelderfehn, Flachsmeer und Sommerlust.


Bau und Verfall der ersten Kirche  

   Spätestens im 14. Jahrhundert jedoch lösten sich die Steenfelder aus der kirchlichen Abhängigkeit von Völlen und errichteten sich ein ei­genes Gotteshaus, das der heiligen Maria und dem heiligen Bischof Nikolaus geweiht war. Vermutlich hat die damalige Kirche schon auf der Anhöhe gestanden, die den heutigen Kirchenbau trägt. Der Baugrund in dieser Gegend muß für Kirchenbauten nicht besonders günstig gewesen sein. Denn schon im Jahre 1429 war die um 1400 er­baute Steenfelder Kirche teilweise eingestürzt. Nun war guter Rat teuer. Die wenigen Einwohner des Kichenspiels waren offensicht­lich nicht in der Lage, die Wiederherstellung ihrer Kirche aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Deshalb bemühte sich die Gemeinde um die Gewährung eines päpstlichen Ablasses. Der Ablaß bedeutete nach damaliger kirchlicher Lehre die Tilgung der durch Sünden ver­wirkten diesseitigen und jenseitigen Sündenstrafen, war also keine Sündenvergebung an sich, die nur durch die Beichte erfolgen konnte. Durch die nach damaliger Auffassung dem Papst zugeschriebene Binde-und Lösegewalt konnte dieser über die Gnadenschätze des Ablasses frei verfügen. Solange noch nicht die späteren Mißbräuche in der Ablaßpraxis vorlagen, war die Gewährung eines Ablasses für eine Kirchengemeinde eine große Hilfe. Aus der Umgebung kamen die Ablaßwilligen, um beim Kirchbau zu helfen. Beim Brennen der Steine, bei der Mörtelbereitung, beim Transport des Baumaterials usw. konnten auch ungelernte Kräfte sich nützlich machen.

Ein päpstlicher Ablaß für Steenfelde

Die Steenfelder hatten mit ihrer Bitte um Ablaßgewährung Erfolg:

   Am l. Dezember 1429 bewilligte Papst Martin V. allen Gläubigen, die die teilweise eingestürzte Marien- und Nikolauskirche von „Steenvelde" in der Diözese Osnabrück an den Namenstagen ihrer Kirchenpatrone besuchten und ihren Wiederaufbau unterstützten, einen Ablaß von zwei Jahren und zweimal 40 Tagen. Diese päpstliche Entscheidung und das Ablaßformular für Steenfelde befinden sich noch heute im Vatikanischen Archiv zu Rom, das mir freundlicherweise zwei Kopien dieses Dokumentes zukommen ließ.

     Nun konnte der Wiederaufbau der Kiche erfolgen. Man errichtete eine einfache Backsteinkirche mit glattem Chorschluß sowie einen recht massiven, freistehenden Glockenturm. Die nächste Nachricht aus Steenfelde stammt aus dem Jahre 1436. In einer Urkunde vom 24. August dieses Jahres siegelt als Zeuge ein gewisser „Folrik Herwcn to Steenvelde".

Der Ort im Spätmittelalter

     Die Steenfelder Pfarrei und die dort tätigen Geistlichen müssen frü­her für ihre Umgebung eine recht beachtliche Bedeutung gehabt ha­ben. Als nämlich 1461/62 der Komtur (Vorsteher) des Johanniterklosters Jemgum wegen der Ausstoßung eines Ordensbruders an den Papst sowie den Großmeister des Johanniterordens appellierte, ließ er dieses Dokument von dem als Notar zugelassenen Steenfelder Pfarrer Folkmar besiegeln. Dieser unterschrieb die Appellation mit all seinen Titeln: „Et ego Folkmarurs de Steynvelt, clericus Osnabrugensis diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius."

   Bereits zwei Jahre später, am 20. Juni 1463, begegnet uns ein Steen-felder Pfarrer erneut. Bei der Grenzbestimmung zwischen dem emsländischen Brual und dem Reiderländer Kirchspiel Diele (ein alter ostfriesisch-emsländischer Zankapfel) wird „her Everd thor Moelen tho Stenfelde karckher" als Zeuge genannt, offensichtlich der Nach­folger des Pfarrers Folkmar.

     Als der Bischof von Münster (als Landesherr des Emslandes) am En­de des 15. Jahrhunderts mehrere Raubzüge in das südliche Ostfries­land unternahm, gehörte auch Steenfelde zu den Ortschaften, die im Jahre 1493 von münsterschen Truppen geplündert wurden. Zu die­ser Zeit verkaufte auch ein Einwohner Steenfeldes „Folrick Udensone tho Folmedehusen, tho den Stenvelde woenachtich", einen Teil seines Grundbesitzes an das Johanniterkloster Muhde.

Das Zeitalter der Reformation

     Im nächsten Jahrhundert ging auch das Kirchspiel Steenfelde im Zuge der Reformation zum evangelischen Bekenntnis über. Die Ge­meinde gehörte wohl der reformierten Glaubensrichtung an. Im Jahre 1583 erhielt der damalige Pfarrer Johann Normaeus eine Pfarrstelle in Leer, von dort wurde er im Jahre 1585 zum Hofprediger des (reformierten) Grafen Johann nach Leerort berufen, um schließlich 1586 die reformierte Pfarrei in Bingum zu übernehmen. Auch der nächste Steenfelder Geistliche, Theodorus Jacobi, gehörte dem reformierten Bekenntnis an. Ab 1601 jedoch wurde die Gemeinde, auf Befehl der Obrigkeit, zum lutherischen Bekenntnis gezwungen und die Pfarrstelle nur noch mit lutherischen Pastoren besetzt.

Die Ausstattung der Kirche

     Im Jahre 1681 wurden als Überreste aus vorreformatorischer Zeit zwei Nebenaltäre in der Pfarrkirche abgebrochen. Dabei entdeckte der mit dem Abbruch beschäftigte Maurer einige Reliquien, die, laut beigefügtem Dokument, vom heiligen Franziskus stammen sollten. Der Handwerker übergab diese und das Dokument dem damaligen Pfarrer Overmann, der sie zum Amtmann nach Leer schickte. Ihr weiterer Verbleib ist unbekannt. 

   Das Innere der Kirche birgt einige wertvolle Gegenstände, die allerdings aus der Zeit nach der Reformation stammen. Neben einem Taufstein aus dem Jahre 1568 haben die Steenfelder im Zuge der Kirchenrenovierung 1681 einen neuen Altar mit Gemälden aus der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu errichtet.

   Im Jahre 1707 wurde ein silberner Abendmahlskelch mit folgender Inschrift beschafft: „Dese Kelch heft de Stenfelder Gemen laten geten omt Aventmal darudt toe geneten anno 1707."

Mehr über die Steenfelder Kirche hier und im Genealogie-Forum.

 

Steenfelde in Überlieferung und Dichtung

     An Kirche und Gemeinde zu Steenfelde ranken sich noch einige Überlieferungen, die zum Teil in den Bereich der Legende führen. So soll in Steenfelde früher ein Nonnenkloster gestanden haben, das später nach Mitling verlegt worden sei. Außer der noch in Steenfelde vorhandenen Flurbezeichnung „Kloster" und einer Notiz des emsländischen Chronisten Diepenbrock („Just Cordes und Eicke Brunsa erscheinen im Jahre 1317 als Gevatter im Kloster Steenfelde in Ostfriesland") läßt sich das jedoch nicht belegen. Die Flurbezeichnung „Kloster" könnte auch auf die Grundstücke hinweisen, die der Steenfelder Einwohner Folrick 1492 an das Johanniterkloster Muhde verkauft hat.

     Nach alter Überlieferung soll auch die Kirche zu Großwolde ursprünglich eine Kapelle von Steenfelde gewesen sein. Das erscheint jedoch wenig wahrscheinlich, da die Kirche zu Großwolde mindestens so alt wie die älteste Steenfelder Kirche ist, und die Großwolder Kirche in allen vorhandenen Dokumenten als zum Bistum Münster gehörend erscheint, während Steenfelde im Mittelalter zu Osnabrück gehörte.

     Ich möchte die Betrachtungen zur Geschichte Steenfeldes und seiner Kirche mit einigen Worten des Overledinger Heimatdichters und -forschers W. Korte abschließen, die dieser über die Steenfelder Kir­che schrieb: „Einsam steht die Kirche auf der Gaste. In den Wochen ist es still dort oben. Nur der Pflüger schreitet und die Dohlen schrei'n. Heiliger Friede überall. In Nebelnächten taucht die Kirche auf wie eine alte Burg. Hinter weichen Schleiern steht der Mond und gießt sein Silber darüber aus... Wer baute dich dort oben, du Kirchlein auf der Gaste? Niemand weiß! Die Menschen sind in ihrem Le­ben wie Gras... Ich höre die Sense rauschen... Wir kamen... gingen und du wirst mit uns gehn."