Steenfelde
Der Jesuiten-Pater Franz J.
Klee schreibt über die einzig in Ostfriesland erhaltene Papstbulle für
Steenfelde folgendes in seinem Buch: „Geschichtliches und Kirchengeschichtliches aus Ostfriesland, Leer 1989, S. 73ff:
Wer heute die Bundesstraße 70
von Papenburg in Richtung Leer befährt, entdeckt nach einigen Kilometern ein
Hinweisschild mit dem Ortsnamen Steenfelde. Während sich der Ort links der
Straße erstreckt, liegt die Kirche auf einer kleinen Anhöhe, einige hundert
Meter vom Ortskern entfernt, auf der rechten Seite der Bundesstraße. Nichts
scheint darauf hinzudeuten, dass dieser kleine Ort im Overledingerland und
seine von einem Lindenkranz umgebene Kirche auf eine lange und interessante
Geschichte zurückblicken kann.
Die
Gründung des Ortes
Der Name Steenfelde, früher auch „Steenwolde" geschrieben, soll
auf ein holzreiches Gelände mit vielen Steinen hindeuten. Auch Ubbo Emmius
bezeichnet in seiner um 1600 verfaßten Beschreibung von Ostfriesland
Steenfelde als einen Ort mit „einer Kirche auf unfruchtbarem und
waldreichem Boden". Es wundert also nicht, daß dieser Ort wie etliche
Gebiete des Overledingerlandes erst im 12. / 13. Jahrhundert systematisch
besiedelt und kolonisiert wurde. Die ursprüngliche Besiedelung erfolgte wohl
von Vollen aus, wozu Steenfelde auch in kirchlicher Hinsicht zunächst gehörte.
Völlen wiederum stand ursprünglich in kirchlicher Abhängigkeit von
Aschendorf im Emsland. So erklärt sich die merkwürdige Tatsache, dass die
Kirchen der drei Overledinger Gemeinden Völlen, Mitling und Steenfelde (sowie
die drei Reiderländer Kirchspiele Vellage, Diele und Stapelmoor) im
Mittelalter dem Bistum Osnabrück unterstanden, während alle umliegenden
Kirchspiele zum Bistum Münster gehörten.
Zu Steenfelde
gehören die Ortsteile Steenfelderfehn, Flachsmeer
und Sommerlust.
Bau
und Verfall der ersten Kirche
Spätestens im 14. Jahrhundert jedoch lösten sich die Steenfelder aus
der kirchlichen Abhängigkeit von Völlen und errichteten sich ein eigenes
Gotteshaus, das der heiligen Maria und dem heiligen Bischof Nikolaus geweiht
war. Vermutlich hat die damalige Kirche schon auf der Anhöhe gestanden, die
den heutigen Kirchenbau trägt. Der Baugrund in dieser Gegend muß für
Kirchenbauten nicht besonders günstig gewesen sein. Denn schon im Jahre 1429
war die um 1400 erbaute Steenfelder Kirche teilweise eingestürzt. Nun war
guter Rat teuer. Die wenigen Einwohner des Kichenspiels waren offensichtlich
nicht in der Lage, die Wiederherstellung ihrer Kirche aus eigenen Mitteln zu
bestreiten. Deshalb bemühte sich die Gemeinde um die Gewährung eines päpstlichen
Ablasses. Der Ablaß bedeutete nach damaliger kirchlicher
Lehre die Tilgung der durch Sünden verwirkten diesseitigen und jenseitigen Sündenstrafen,
war also keine Sündenvergebung an sich, die nur durch die Beichte erfolgen
konnte. Durch die nach damaliger Auffassung dem Papst zugeschriebene
Binde-und Lösegewalt konnte dieser über die Gnadenschätze des Ablasses frei
verfügen. Solange noch nicht die späteren Mißbräuche in der Ablaßpraxis
vorlagen, war die Gewährung eines Ablasses für eine Kirchengemeinde eine große
Hilfe. Aus der Umgebung kamen die Ablaßwilligen, um beim Kirchbau zu helfen.
Beim Brennen der Steine, bei der Mörtelbereitung, beim Transport des
Baumaterials usw. konnten auch ungelernte Kräfte sich nützlich machen.
Ein
päpstlicher Ablaß für Steenfelde
Die
Steenfelder hatten mit ihrer Bitte um Ablaßgewährung Erfolg:
Am l. Dezember 1429 bewilligte Papst Martin V. allen Gläubigen,
die die teilweise eingestürzte Marien- und Nikolauskirche von „Steenvelde"
in der Diözese Osnabrück an den Namenstagen ihrer Kirchenpatrone besuchten
und ihren Wiederaufbau unterstützten, einen Ablaß von zwei Jahren und zweimal
40 Tagen. Diese päpstliche Entscheidung und das
Ablaßformular für
Steenfelde befinden sich noch heute im Vatikanischen Archiv zu Rom, das mir
freundlicherweise zwei Kopien dieses Dokumentes zukommen ließ.
Nun konnte der Wiederaufbau der Kiche erfolgen. Man
errichtete eine einfache Backsteinkirche mit glattem Chorschluß sowie einen
recht massiven, freistehenden Glockenturm. Die nächste Nachricht aus
Steenfelde stammt aus dem Jahre 1436. In einer Urkunde vom 24. August dieses
Jahres siegelt als Zeuge ein gewisser „Folrik Herwcn to Steenvelde".
Der
Ort im Spätmittelalter
Die Steenfelder Pfarrei und die dort tätigen Geistlichen müssen früher
für ihre Umgebung eine recht beachtliche Bedeutung gehabt haben. Als nämlich
1461/62 der Komtur (Vorsteher) des Johanniterklosters Jemgum wegen der Ausstoßung
eines Ordensbruders an den Papst sowie den Großmeister des Johanniterordens
appellierte, ließ er dieses Dokument von dem als Notar zugelassenen
Steenfelder Pfarrer Folkmar besiegeln. Dieser unterschrieb die Appellation mit
all seinen Titeln: „Et ego Folkmarurs de Steynvelt, clericus Osnabrugensis
diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius."
Bereits zwei Jahre später, am 20. Juni 1463, begegnet
uns ein Steen-felder Pfarrer erneut. Bei der Grenzbestimmung zwischen dem emsländischen
Brual und dem Reiderländer Kirchspiel Diele (ein alter ostfriesisch-emsländischer
Zankapfel) wird „her Everd thor Moelen tho Stenfelde karckher" als Zeuge
genannt, offensichtlich der Nachfolger des Pfarrers Folkmar.
Als der Bischof von Münster (als Landesherr des
Emslandes) am Ende des 15. Jahrhunderts mehrere Raubzüge in das südliche
Ostfriesland unternahm, gehörte auch Steenfelde zu den Ortschaften, die im
Jahre 1493 von münsterschen Truppen geplündert wurden. Zu dieser Zeit
verkaufte auch ein Einwohner Steenfeldes „Folrick Udensone tho Folmedehusen,
tho den Stenvelde woenachtich", einen Teil seines Grundbesitzes an das
Johanniterkloster Muhde.
Das
Zeitalter der Reformation
Im nächsten Jahrhundert ging auch das Kirchspiel Steenfelde im
Zuge
der Reformation zum evangelischen Bekenntnis über. Die Gemeinde gehörte
wohl der reformierten Glaubensrichtung an. Im Jahre 1583 erhielt der damalige
Pfarrer Johann Normaeus eine Pfarrstelle in Leer, von dort wurde er im Jahre
1585 zum Hofprediger des (reformierten) Grafen Johann nach Leerort berufen, um
schließlich 1586 die reformierte Pfarrei in Bingum zu übernehmen. Auch der nächste
Steenfelder Geistliche, Theodorus Jacobi, gehörte dem reformierten
Bekenntnis an. Ab 1601 jedoch wurde die Gemeinde, auf Befehl der Obrigkeit, zum
lutherischen Bekenntnis gezwungen und die Pfarrstelle nur noch mit lutherischen
Pastoren besetzt.
Die
Ausstattung der Kirche
Im Jahre 1681 wurden als Überreste aus vorreformatorischer Zeit zwei
Nebenaltäre in der Pfarrkirche abgebrochen. Dabei entdeckte der mit dem
Abbruch beschäftigte Maurer einige Reliquien, die, laut beigefügtem Dokument,
vom heiligen Franziskus stammen sollten. Der Handwerker übergab diese und das
Dokument dem damaligen Pfarrer Overmann, der sie zum Amtmann nach Leer
schickte. Ihr weiterer Verbleib ist unbekannt.
Das Innere der Kirche birgt einige wertvolle Gegenstände,
die allerdings aus der Zeit nach der Reformation stammen. Neben einem
Taufstein aus dem Jahre 1568 haben die Steenfelder im Zuge der
Kirchenrenovierung 1681 einen neuen Altar mit Gemälden aus der Lebens- und
Leidensgeschichte Jesu errichtet.
Im Jahre 1707 wurde ein silberner Abendmahlskelch mit
folgender Inschrift beschafft: „Dese Kelch heft de Stenfelder Gemen laten
geten omt Aventmal darudt toe geneten anno 1707."
Mehr über die Steenfelder Kirche hier und im Genealogie-Forum.
Steenfelde
in Überlieferung und Dichtung
An Kirche und Gemeinde zu Steenfelde ranken sich noch einige Überlieferungen,
die zum Teil in den Bereich der Legende führen. So soll in Steenfelde früher
ein Nonnenkloster gestanden haben, das später nach Mitling verlegt worden sei.
Außer der noch in Steenfelde vorhandenen Flurbezeichnung „Kloster" und
einer Notiz des emsländischen Chronisten Diepenbrock („Just Cordes und Eicke
Brunsa erscheinen im Jahre 1317 als Gevatter im Kloster Steenfelde in
Ostfriesland") läßt sich das jedoch nicht belegen.
Die Flurbezeichnung „Kloster" könnte auch auf die Grundstücke
hinweisen, die der Steenfelder Einwohner Folrick 1492 an das Johanniterkloster
Muhde verkauft hat.
Nach alter Überlieferung soll auch die Kirche zu Großwolde
ursprünglich eine Kapelle von Steenfelde gewesen sein. Das erscheint jedoch
wenig wahrscheinlich, da die Kirche zu Großwolde mindestens so alt wie die älteste
Steenfelder Kirche ist, und die Großwolder Kirche in allen vorhandenen
Dokumenten als zum Bistum Münster gehörend erscheint, während Steenfelde im
Mittelalter zu Osnabrück gehörte.
Ich möchte die Betrachtungen zur Geschichte
Steenfeldes und seiner Kirche mit einigen Worten des Overledinger Heimatdichters
und -forschers W. Korte abschließen, die dieser über die Steenfelder Kirche
schrieb: „Einsam steht die Kirche auf der Gaste. In den Wochen ist es still
dort oben. Nur der Pflüger schreitet und die Dohlen schrei'n. Heiliger Friede
überall. In Nebelnächten taucht die Kirche auf wie eine alte Burg. Hinter
weichen Schleiern steht der Mond und gießt sein Silber darüber aus... Wer
baute dich dort oben, du Kirchlein auf der Gaste? Niemand weiß! Die Menschen
sind in ihrem Leben wie Gras... Ich höre die Sense rauschen... Wir kamen...
gingen und du wirst mit uns gehn."
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