Vorwort

 

   Eigentlich ist es noch gar nicht so lange her, daß sich die ersten jüdischen Familien bei uns niederließen. Sie kamen aus Oude Pekela im benachbarten Holland, damals um 1880, die Familie Boertanger / van Pels, die Familie de Levie und die Familie Cohen.

      Das Untenende, die Rhauderwieke und die unteren Abschnitte des Rajen und der 1. Südwieke schickten sich zu der Zeit gerade an, sich von einer gewöhnlichen, ärmlichen Fehnsiedlung mit Moorkolonisten, Muttschiffern und Torfgräbern zu einem Zentrum mit gehobenen Ansprüchen zu entwickeln, denn etliche Schiffseigner und Handwerker hatten es zu solidem Wohlstand gebracht, und kapitalkräftige Kaufleute von auswärts sahen, daß es sich lohnte, hier zu investieren und Geschäfte zu eröffnen.

      Auch für jüdische Viehhändler mit ihren weitverzweigten geschäftlichen Verbindungen war ein Auskommen durchaus vorhanden, denn viele Fehnkolonate waren schon so weit kultiviert, daß sich ein oder zwei Kühe darauf halten ließen und auch Kleinvieh wie Schafe, Ziegen und Geflügel gab es reichlich. Da viele Männer beruflich auf See abwesend waren, oblag die Bewirtschaftung der Landstelle gewöhnlich den Frauen, die oft froh waren, wenn ihnen die Modalitäten beim An- und Verkauf vor allem der Jungtiere abgenommen wurden.

      So gehörten die jüdischen Händler bald zum alltäglichen Leben auf dem Fehn und in den umliegenden Bauerndörfern wie Holte, Rhaude, Collinghorst, Langholt und Burlage. Die Familie Boertanger/ van Pels zog zwar bald wieder nach Holland zurück, dafür kam aber im Jahre 1910 die Familie Weinberg aus Weener dazu und nach dem I. Weltkrieg noch die Familie Gumpertz aus dem Rheinland, die mit de Levies verwandt war und in deren Haus an der Rhauderwieke einen Fell- und Lederwarengroßhandel aufmachte. 

      Mit dem Beginn der NS-Herrschaft in den dreißiger Jahren hatte die allseitige gedeihliche Zusammenarbeit urplötzlich ein Ende. Die jüdischen Familien wurden von den Machthabern für alle Unbill der Welt verantwortlich gemacht und nach und nach entrechtet. Ihnen wurde die bürgerlicherliche und wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen, so daß sie gezwungen waren, ihren Heimatort, das Fehn, zu verlassen in Erwartung einer ungewissen Zukunft.

      Diese hatte für die meisten von ihnen den gewaltsamen Tod in einem der zahlreichen Vernichtungslager vorgesehen.