|
de
Levie
Die de Levies aus unserem Raum stammen aus dem Gebiet von Oude und Nieuwe
Pekela in den Niederlanden. Dort sind sie schon seit der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts nachweisbar. Da der Familienname "de Levie" in den
Pekela's sehr verbreitet war - wie heute noch überall auf der Welt in jüdischen
Kreisen - hat man dort die verschiedenen Linien numeriert. Unsere de Levies gehören
zur Linie I in Oude Pekela und zur Linie II in Nieuwe Pekela.
Die Stammeltern unserer de Levies, Heiman (Chayyim) Levi und Frauke
(Fieret) Hartogs wurden 1743 in Oude Pekela registriert. Sie waren angesehene
Leute. Beide beherrschten die hebräische Schrift und Heiman zusätzlich die
lateinische. Von Beruf war er Schlachter und Kaufmann und nannte ein Geschäft
sein eigen. Von diesem Ehepaar sind zwei Kinder überliefert: Levi Haimans (*
ca. 1729; + 1801) und Benjamin
Haimans (* 11. 11. 1744; + 12. 2. 1828 in Oude Pekela).
Levi war von Beruf auch Schlachter. Er war zweimal verheiratet. Die
Kinder aus seiner ersten Ehe mit Frauke Hersels (+ ca. 1770) führten später
den Familiennamen "van Zand", die Kinder aus der zweiten Ehe mit Beela
Filippus (* ca. 1745; + 12.7. 1817
in Winschoten) nahmen den Familiennamen "van der Hak" an.
Benjamin Haimans war auch zweimal verheiratet. Seine
erste Frau, Rachel Daniels, starb schon vor 1788. Von seiner zweiten Ehe mit
Rosijn Isaacs Levie (* 22. 3. 1763 in Veendam;
+ 1845 in Oude Pekela), geschlossen am 11. 9. 1788 in Oude Pekela, gibt
es einen Ehevertrag.
Wie sein Vater war Benjamin Haimans von Beruf Schlachter und Kaufmann.
Aus seinen beiden Ehen gingen vierzehn Kinder hervor, die später alle den
Familiennamen "de Levie" führten zusätzlich zu dem Patronymikon
"Benjamins": Nochem, Frouke, Daniel, Beerendje und Leentje aus der
ersten Ehe; Heiman, Hartog, David, Mozes, Hendeltje, Sara, Izak, Rebekka und
Izak Aron aus der zweiten Ehe.
Sohn Hartog Benjamins de Levie
(* 6. 7. 1791 in
Oude Pekela; + 7. 6. 1860 in Oude
Pekela) war von Beruf Schlachter. Er heiratete am 15. 4. 1815 zu Oude Pekela
Geertje Gompels Kosses (* 30. 12. 1794 in Oude Pekela;
+ 22. 12. 1883 in Oude Pekela). Auch
ihre Vorfahren lassen sich bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Oude
Pekela und mütterlicherseits in Neustadtgödens zurückverfolgen. Hartog und
Frau Geertje haben anscheinend immer in Oude Pekela gewohnt, denn alle ihre acht
Kinder wurden dort geboren, und sie selbst wurden beide dort begraben.
Als die Kinder Jakob, Roosje, Ester, Rebekka, Gompel (Gumpel), Benjamin,
Salomon und Hinderika erwachsen waren und eigene Familien gegründet hatten, gab
es in ihrem Heimatort Oude Pekela keine wirtschaftliche Perspektive mehr für
alle. Deshalb beschlossen die drei jüngsten Söhne, die schon alle drei eine
stattliche Kinderschar hatten, nach "Preußen" ins benachbarte
Ostfriesland auszuwandern, denn in dem neuen deutschen Kaiserreich gab es für
Juden keine gesetzlichen Beschränkungen mehr.
Gleichzeitig waren durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes in den Orten mit
einer Bahnstation neue Zentren entstanden und die Welt war durch dieses schnelle
und bequeme Transportmittel sehr viel "kleiner" geworden. Für Geschäftsleute
und vor allem für Viehhändler gab es plötzlich ganz neue Perspektiven. In
Leer entstand um diese Zeit ein überregionaler wöchentlicher Viehmarkt und
viele Bewohner von den Pekela's sahen im benachbarten Ostfriesland eine gute Möglichkeit,
sich eine Existenz aufzubauen. So auch die de Levie-Brüder.
1875 machte sich Benjamin de Levie mit Frau Geertje Meiberg und seinen fünf
zum Teil schon erwachsenen Kindern zuerst auf den Weg. Er nahm seinen Wohnsitz
in Stickhausen. Etwa 1878 muß auch Salomon de Levie mit seiner Familie
aufgebrochen sein. Er wählte Ihrhove als Wohnsitz. 1879 zog schließlich auch
Gumpel de Levie mit seiner Familie ins benachbarte Ostfriesland.
Er ließ sich in Rhaudermoor nieder, in der Rhauderwieke, hart an der
Grenze zu Westrhauderfehn. Hier gab es damals zwar noch keinen Bahnanschluß wie
in Stickhausen und Ihrhove, doch es bestand eine tägliche
Pferdeomnibusverbindung nach Ihrhove, und es bildete sich in diesem Ort ein
neues Zentrum für die sich ständig vergrößernden Fehngemeinden und die
kleinen Dörfer im Umfeld. Für Geschäftsleute mit Weitblick war es nur noch
eine Frage der Zeit, bis auch hier ein Bahnanschluß kommen würde.
Gumpel (Gompel) de Levie (* 1. 2.
1827 in Oude Pekela) war nach seinem Großvater mütterlicherseits, Gompel
Jacobs Kosses, benannt. Er hatte am 3. 1. 1857 in Oude Pekela Frouke Cohen (* 14. 6.
1836 in Oude Pekela), die Schwester von Nochum Cohen, geheiratet, der sich im
gleichen Jahr mit seiner Familie auf den Weg ins benachbarte Ostrhauderfehn
machte.
Gumpel de Levie und Frouke geb. Cohen hatten zwölf Kinder, die alle in
Oude Pekela das Licht der Welt erblickt hatten. Drei von ihnen waren allerdings
schon im Säuglings- bzw. im Kleinkindalter verstorben: Hartog (* 2. 5. 1857; + 12. 3. 1858 in Oude Pekela), Hendeltje (* 23. 4. 1858),
Geertje (* 10. 7. 1859), Samuel (* 8. 12. 1860;
+ 18. 3. 1862 in Oude Pekela), Hartog (* 31. 10. 1862), Betje (* 25. 4.
1864), Samuel (* 7. 1. 1866), Hinderika (* 12. 6.
1867), Flora (* 23. 1. 1870), Roosje (* 29. 12. 1871), Sientje (* 18. 3.
1874) und Benjamin (* 22. 5. 1876; +
31. 7. 1876 in Oude Pekela).
Als die Familie nach Rhaudermoor zog, wohnten die drei ältesten Töchter
schon nicht mehr im Elternhaus, sondern arbeiteten als Dienstmädchen in
Groningen: Hendeltje und Geertje seit 1875 und Betje seit 1877. Hendeltje hatte
vorher auch schon ein Jahr in Winschoten gearbeitet. Desungeachtet betrachteten
diese jungen Frauen die neue Heimat ihrer Eltern und jüngerer Geschwister als
ihr Zuhause. Sie wohnten dort zwischenzeitlich für einige Zeit und heirateten
größtenteils auf dem Standesamt in Rhaudermoor.
Die beiden Söhne Hartog und Samuel waren im Teenageralter, als die
Familie in Rhaudermoor ansässig wurde. Sie werden ihren Vater Gumpel bei seinen
Geschäften in der fremden Umgebung sicherlich schon kräftig unterstützt
haben.
Im Einwohnerverzeichnis von Ostfriesland von 1880/81 ist Gumpel de Levie
schon als Schlachter in der Rhauderwieke aufgeführt. Er muß gleich in dem
ersten Haus hinter Dupree gewohnt haben, denn später gehörte es seinem Sohn
Samuel, von dem es in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Mann
seiner Enkelin Adele Meyer, Hermann Gumpertz, übernahm. Heute befindet sich an
der Stelle das Küchenstudio des Möbelhauses Wilts.
Gumpel de Levie muß geschäftlich eng mit seinem Bruder Salomon de Levie
aus Ihrhove zusammengearbeitet haben. Dieser hatte in den Jahren 1892 und 1893
von dem Kaufmann Conrad Philipp Graepel laut dessen Steuerbuch diverse Stücke
Weideland in Rajen und Rhaudermoor gepachtet, die offensichtlich von Gumpel de
Levie und seinen Söhnen genutzt wurden, denn von Ihrhove lagen sie viel zu weit
entfernt. Ab 1894 übernahm dann auch Gumpels Sohn Samuel die Pacht dieser Ländereien
und noch einiger anderer Stücke dazu.
Ansonsten ist von Gumpel und Frouke de Levie nicht viel bekannt. Ob er
bei der Bezirksregierung in Aurich einen Antrag auf Naturalisation gestellt hat
wie seine Brüder Benjamin und Salomon, wissen wir bisher nicht.
Am 18. 1. 1904 starb Frouke de Levie geb. Cohen in Rhaudermoor. Sie wurde
auf dem jüdischen Friedhof in Leer am Schleusenweg beigesetzt (Grab Nr. 179).
Auf ihrem Grabstein wird als Todesort "Westrhauderfehn" angegeben. Das
liegt daran, daß das Geschäftszentrum Untenende / Rhauderwieke gern als
Einheit betrachtet und als "Fehn" bezeichnet wurde. Das ist auch heute
noch so.
Nachdem Frau Frouke gestorben war, wurden zeitweise junge Verwandte als
Haushaltshilfen beschäftigt, wie es damals üblich war, zumal die verheirateten
Töchter alle ihre eigenen Familien zu versorgen hatten und Sohn Samuel
unverheiratet war und sich auch später nicht verehelichte.
Bis zum 10. 1. 1907 half Julchen Müller aus Emden, die
Stieftochter von Gumpels Tochter Geertje, laut Einwohnermelderegister im
Haushalt bei ihren Verwandten in der Rhauderwieke aus. Ihre Nachfolgerin war die
ledige Köchin Sophie Meyer aus Sögel, eine junge Verwandte von Gumpels Tochter
Betje. Sie meldete sich am 2. 3. 1907, aus Duisburg kommend, in Rhaudermoor an
und verzog am 27. 7. 1907 nach Sögel.
Während ihres Aufenthalts verstarb Gumpel de Levie am 14. 4. 1907 in
Rhaudermoor. Er wurde zu seinem Geburtsort Oude Pekela überführt und dort auf
dem Friedhof beigesetzt (Grab Nr. 76). Auch auf seinem Grabstein ist als
Todesort "Westrhouderfehn" angegeben aus den bekannten Gründen.
Während der Jahre, die Gumpel und Frouke de Levie in der Rhauderwieke
verbrachten, hatte sich ihr Wohnort gewaltig verändert: Die ev.-luth. Kirche
hatte einen Turm bekommen, auf den die Fehntjer mächtig stolz waren, weil er zu
den höchsten in Ostfriesland zählte; von Collinghorst bis ins Oldenburgerland
war eine gepflasterte Chaussee gebaut worden; das kaiserliche Postamt hatte am
Untenende ein imposantes Gebäude erhalten; das Geschäft C. A. I. Hagius Sohn
war zu einem Kaufhaus mit städtischem Flair ausgebaut worden; der Arzt Dr.
Trepte hatte sich eine imposante Praxis eingerichtet und benutzte für seine
Krankenbesuche eine "Benzinkutsche". In der 1. Südwieke war eine
mehrgeschossige Seefahrtsschule errichtet worden, die Offiziere auf kleiner
Fahrt ausbilden konnte, und ein Kleinbahnanschluß für Westrhauderfehn war in
der konkreten Planung.
In Leer war 1885 in zentraler Lage an der Heisfelder Straße eine neue
Synagoge erbaut worden, geräumig genug, um die rasch wachsende jüdische
Gemeinde aufzunehmen.
Nach dem Tode seines Vaters Gumpel führte Samuel de Levie das Geschäft
weiter. Er ist im Adreßbuch des Landkreises Leer von 1910 als Viehhändler in
der Rhauderwieke aufgeführt. Über seinen Alltag während der Zeit des ersten
Weltkrieges erfahren wir nichts; wir wissen auch nicht, wer ihm den Haushalt geführt
hat, denn ein Einwohnermelderegister aus dieser Zeit ist nicht vorhanden. Er muß
um diese Zeit schon gekränkelt haben, denn gleich nach Kriegsende, im Jahre
1919, gab er das Viehhandelsgeschäft höchstwahrscheinlich auf.
- Zu ihm ins Haus zog seine
Nichte Adele geborene Meyer, eine Tochter seiner Schwester Betje aus Sögel.
Adele hatte am 7. 11. 1919 den Weltkriegsteilnehmer Hermann Gumpertz aus Holten
geheiratet, und der eröffnete in der Rhauderwieke einen Fell- und Lederwarengroßhandel
mit Werkstatt und etlichen Angestellten.
Samuel de Levie verbrachte die letzten Jahre seines Lebens mit der
Familie seiner Nichte Adele. Er starb "nach langem schweren Leiden",
laut Todesanzeige im Generalanzeiger, am 31. 8. 1924 im Alter von nur 58 Jahren
in Rhaudermoor und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Leer am Schleusenweg
beerdigt (Grab Nr. 202). Auch auf seinem Grabstein ist als Todesort
"Westrhauderfehn" angegeben.
Über den Verbleib des ältesten Sohnes Hartog de Levie ist nichts
bekannt. Er scheint von Rhaudermoor weggezogen zu sein, als er erwachsen war.
Über die beiden Töchter Hendeltje und Hinderika de Levie erfahren wir
auch nichts weiter. Sie haben nicht in Rhaudermoor geheiratet wie ihre übrigen
Schwestern. Wahrscheinlich haben sie sich in Holland niedergelassen.
Die Tochter Geertje de Levie muß seit dem Sommer 1891 bei ihren Eltern
in Rhaudermoor gewohnt haben, denn am 2. 10. 1891 gebar sie dort einen Sohn, der
den Namen Hartog erhielt. Die Hebamme Talena Hagedorn meldete ihn am 7. Oktober
auf dem Standesamt in Rhaudermoor an.
Am 22. 9. 1894 heiratete die Haustochter Geertje de Levie in Rhaudermoor
den Schumachermeister Moritz (Moses) Müller aus Emden. Trauzeugen waren
Geertjes Vater Gumpel und Moritz' Bruder, der Uhrmacher Simon Müller aus
Rhaudermoor. Der hatte sich am 17. August 1873 in Rhaude von Pastor Stellwagen
taufen lassen und war mit Taalke Buscher verheiratet. Durch seine Vermittlung
hatte sich das Brautpaar wahrscheinlich kennengelernt.
Moritz Müller war Witwer und kam gebürtig aus Loga (* 3. 5. 1853). Er
war in erster Ehe mit Karoline Bamberger (* 5. 4. 1849 in Emden;
+ 28. 10. 1892 in Emden) verheiratet gewesen. Sie hatten sechs gemeinsame
Kinder, von denen fünf noch am Leben waren: Flora (* 26. 10. 1877 in Leer),
Adolf Aron (* 29. 12. 1878 in Leer), Hanna (* 28. 5. 1880 in Emden;
+ 1937 in Hamburg), Max (* 26. 12. 1882 in Emden; + 9. 2. 1884 in Emden), Julchen (* 17. 7. 1890 in Emden) und
Karl (* 28. 10. 1892 in Emden). Da Karl am Todestag seiner Mutter Karoline
geboren wurde, ist anzunehmen, daß diese im Kindbett verstarb und Karl nach ihr
benannt wurde.
Geertje de Levie brachte ihren Sohn Hartog mit in die Ehe. Der erhielt
laut Verfügung des Regierungspräsidenten zu Aurich vom 11. März 1898 die
Erlaubnis, auch den Familiennamen Müller zu führen. Später nannte er sich
Hartwig Müller und heiratete Hiskea Johanna Frey aus Aschendorf. Er starb am
19. 11. 1940 in Dachau (Reg.-Nr. 1169 Standesamt Dachau).
Geertje und Moritz Müller hatten noch zwei gemeinsame Kinder: Max Müller
(* 21. 2. 1896 in Emden; + 18. 5.
1974 in Emden) und Gottfried Müller (* 19. 10. 1897 in Emden;
+ 16. 2. 1943 in Auschwitz).
Gottfried war Schlachter und wohnte und arbeitete in den Jahren 1920/21 für
einige Zeit in Rhaudermoor im Betrieb seines Onkels Samuel de Levie und seines
angeheirateten Vetters und späteren Schwagers Hermann Gumpertz. Am 4. 3. 1921
meldete er sich auf dem Einwohnermeldeamt Rhaudermoor nach Emden ab.
Gottfried Müller heiratete Erna Gumpertz (* 21. 9. 1895 in Holten), eine
Schwester von Hermann Gumpertz. Sie wohnten in Emden, dort wurde am 24. 2. 1927
ihr Sohn Paul geboren. Gretchen Deters geb. Kuipers, die in den zwanziger Jahren
eine Zeitlang Kindermädchen im Hause Gumpertz war, konnte sich an diese Emder
Verwandtschaft noch gut erinnern.
Das Ehepaar Gottfried und Erna Gumpertz wurde gemeinsam mit Sohn Paul mit
dem Transport des Reichs-Sicherheitshauptamtes am 29. 1. 1943 nach Auschwitz
deportiert. Im Archiv der Gedenkstätte Auschwitz ist der 16. 2. 1943 als
Todestag von Gottfried Müller verzeichnet.
Schumachermeister Moritz Müller verstarb am 12. 11. 1910 in Emden
(Reg.-Nr. 320/120 Standesamt Emden I), seine Frau Geertje geb. de Levie schloß
am 5. 2. 1939 in Emden für immer die Augen (Reg.-Nr. 39/1939 Standesamt Emden
I), sie mußte glücklicherweise die Zwangsdeportation der jüdischen Bevölkerung
aus Emden im Frühjahr 1940 nicht mehr miterleben.
Gumpel und Frouke de Levies jüngste Tochter Sientje verheiratete sich
ebenfalls nach Emden. Sie schloß am 21. 5. 1898 in Rhaudermoor mit dem
Handelsmann Moritz Italiener die Ehe. Er wurde am 24. 4. 1872 als Sohn von Jacob
Italiener und Friederike Driels in Emden geboren. Trauzeugen bei der Heirat
waren Sientjes Vater Gumpel und der Handelsmann Isaak Frank aus Meppel
(Niederlande). Das Paar hat in Emden gewohnt, über Kinder der Familie Italiener
ist jedoch nichts bekannt. Beide müssen während des Holocausts umgekommen
sein, denn sie wurden beide auf Beschluß des Amtsgerichts Emden vom 27. 3. 1950
für tot erklärt. Moritz Italiener ist am 2. 12. 1941 in Sachsenhausen
gestorben, das Amtsgericht Emden führt als Todesdatum den 31.(!) 4. 1942.
Sientje Italiener geb. de Levie soll 1941 im Ghetto Lodz umgekommen sein. Für
sie hat das Amtsgericht Emden den 8. 5. 1945 als Todesdatum festgelegt.
Flora de Levie heiratete am 6. 6.
1896 in Rhaudermoor den Junggesellen Philip Nerden (* 13. 4. 1870 in Amsterdam),
Sohn des Diamantwerkers und Handelsmannes Eliazer Nerden und seiner Ehefrau
Duifje Blitze aus der Rapenburgerstraat 77 in Amsterdam. Trauzeugen waren die
Eltern der Braut, wobei auffällt, daß die Mutter in gewohnter patronymischer
Manier mit ihrem Geburtsnamen F. Cohen unterschrieb.
Flora und Philip Nerden hatten schon einen gemeinsamen Sohn Gottfried,
der am 5. 12. 1888 in Rhaudermoor geboren wurde. Während der Heiratszeremonie
erkannte Philip Nerden die Vaterschaft ausdrücklich an.
Die junge Familie muß fortgezogen sein. Über ihren ferneren Lebenslauf
und über weitere Kinder ist nichts bekannt.
Roosje de Levie heiratete ebenfalls einen Sohn des Diamantenwerkers
Eliazer Nerden und seiner Frau Duifje Blitze, nämlich Abraham Hartog (* 13. 7.
1879 in Amsterdam), allerdings nicht in Rhaudermoor, sondern wahrscheinlich in
Charlottenburg ca. 1900/1901, denn am 21. 11. 1902 wurde dort ihre Tochter Dora
Friederike geboren.
Wie Hermann Adams in seinem Buch "Juden in Ihrhove" berichtet,
war Abraham Nerden ein Kunsthandwerker, der seinen Lebensunterhalt als
"Reisender" verdiente, wie man damals die Vertreter nannte. Im Jahre
1903 zog die Familie nach Ihrhove, und am 18. 2. 1905 wurde dem Ehepaar dort der
Sohn Gustav Eduard geboren.
Etwa um 1910 erwarb Abraham Nerden am Tjücher Weg zwei Grundstücke. Er
baute darauf ein Haus und eröffnete eine Einrahmungswerkstatt und einen
Leistengroßhandel. Als das Geschäft florierte, wurde nebenan ein größeres
Haus mit einer Rampe erbaut und das andere Haus verkauft.
Nachdem die Familie in Ihrhove heimisch geworden war, trat Abraham Nerden
der altreformierten Kirche bei und wurde dort am 25. 10. 1908 getauft. Seine
Frau Roosje und die Kinder blieben ihrem mosaischen Glauben treu.
Am 26. 7. 1926 verstarb plötzlich die Tochter Dora nach kurzer schwerer
Krankheit. Sie wurde auf dem Friedhof in Leer am Schleusenweg beerdigt (Grab Nr.
204).
1933 erkannte die Familie Nerden sehr früh die Zeichen der Zeit. Haus
und Grundstück wurden verkauft, und die Nerdens zogen nach Apeldoorn in
Holland. Dort wohnten sie am Elsweg 57.
Frau Roosje Nerden geb. de Levie verstarb am 26. 1. 1939 in Apeldoorn und
wurde dort auf dem Friedhof beerdigt. Sohn Gustav Eduard heiratete am 13. 6.
1940 - schon während der deutschen Besatzung - in Amsterdam Rebecca Polak (* 5.
5. 1903 in Amsterdam).
Alle wohnten jetzt in der Regentesslaan 20 in Apeldoorn bis zu ihrer
Deportation ins Lager Westerbork.
Abraham Hartog Nerden verstarb am 23. 4. 1943 im Vernichtungslager
Sobibor. Gustav Eduard Nerden kam im KZ Auschwitz um, laut Rotem Kreuz am 5. 12.
1942, nach den Gedenkboeken des Herinneringszentrum Westerbork am 28. 2. 1943.
Rebecca Nerden geb. Polak wird dort als "vermißt" geführt.
Betje de Levie heiratete am 15. 1. 1884 in Rhaudermoor den Handelsmann
Meyer Meyer aus Sögel. Trauzeugen waren ihr Vater Gumpel und der Handelsmann B.
Cohen aus Oude Pekela.
Meyer Meyer (* 8. 11. 1853 in Sögel) stammte aus der prominenten Händlerfamilie
Meyer in Sögel; seine Eltern waren der Handelsmann Jacob Meyer und Sophie geb.
Rheine. Deren Grabsteine sind auf dem jüdischen Friedhof in Sögel vorhanden.
Das junge Paar muß zuerst in Westrhauderfehn gewohnt haben, denn ihr
erstes Kind, die Tochter Frauke, wurde am 15. 5. 1885 dort geboren.
Kurze Zeit später sind sie nach Sögel gezogen, denn die übrigen zwölf
Kinder wurden alle dort geboren:
Jacob (* 26. 8. 1886), ein männliches Kind ohne Vornamen (* 8. 7. 1888;
+ 14. 7. 1888 in Sögel), Adele (* 11. 9. 1889;
+ 5. 7. 1892 in Sögel), Hermann (* 19. 4. 1891), Klara (* 12. 2. 1893),
Hartwig (* 27. 1. 1895), Adele (* 21. 2. 1897), Carl (* 10. 6. 1899),
Johanna (* 2. 5. 1901), Max (* 20. 7. 1903), Rosa (* 29. 3. 1905) und Sally (* 11. 5.
1908).
Betje Meyer geb. de Levie nannte sich in Sögel Bertha. Unter diesem
Namen ist wird sie dort auch in den Urkunden des Standesamtes geführt. Sie
starb am 15. 11. 1934 in Sögel. Ihr Grabstein ist auf dem dortigen jüdischen
Friedhof leider nicht mehr vorhanden.
Ihr Ehemann Meyer Meyer war zu der Zeit wahrscheinlich noch am Leben,
denn bei Bertha Meyers Sterbeeintrag im Standesamtsregister heißt es: "war
verheiratet mit Meyer Meyer". Bei verwitweten Ehegatten wurde laut
Standesbeamtin Kohne normalerweise "war verheiratet gewesen mit"
eingetragen. Da kein Sterbeeintrag von Meyer Meyer im Sögeler
Standesamtsregister zu finden ist, muß angenommen werden, daß er woanders
gestorben ist.
Von den Kindern ist anscheinend nur der Sohn Hermann in Sögel wohnhaft
geblieben. Er heiratete am 9. 3. 1933 Ida Sanders (* 9. 1. 1901) in Wesel. Das
einzige Kind des Ehepaares, Sally, wurde am 19. 11. 1938 in Sögel geboren. Die
junge Familie wurde laut Transportliste von 1941/42 in ein Konzentrationslager
deportiert. Auf Beschluß des Amtsgerichts Sögel vom 14. 12. 1963 (AZ. II
10/63) wurden Hermann Meyer und sein Sohn Sally für tot erklärt. Als
Todesdatum wurde bei beiden der 20. 12. 1942 angegeben. Über das Schicksal von
Frau Ida sind keine Angaben zu finden. Auf den Gedenktafeln des Friedhofs Sögel
sind alle drei Namen zu finden.
Der Sohn Hartwig Meyer fiel am 21. 7. 1915 im I. Weltkrieg. Sein Name ist
auf dem Gedenkstein für die Gefallenen auf dem jüdischen Friedhof in Sögel
aufgeführt.
Der jüngste Sohn Sally hat den Holocaust überlebt. Er heiratete am 22.
2. 1955 zum zweiten Mal in Kaiserslautern. Über seine Ehefrauen ist nichts
bekannt. Die Tochter Klara heiratete im Jahre 1937 in Duisburg,
Standesamt Duisburg-Mitte (Reg.-Nr. 1647/1937). Der Name ihres Ehemannes ist
nicht überliefert.
Zwei Töchter, Adele und Frauke, heirateten in Sögel vom Elternhaus aus,
und zwar zwei Brüder.
Adele heiratete am 17. 11. 1919 den Kaufmann Hermann Gumpertz (* 13. 4.
1892 in Holten) und Frauke, die sich später Frieda nannte, heiratete am 15. 5.
1922 dessen Bruder Sally (* 6. 5. 1888 in Dörnigheim).
Über den weiteren Lebensweg dieser beiden Familien wird in dem Kapitel
"GUMPERTZ" berichtet.
|
|